Posts für Suchanfrage Piet Paaltjens werden nach Relevanz sortiert angezeigt. Nach Datum sortieren Alle Posts anzeigen
Posts für Suchanfrage Piet Paaltjens werden nach Relevanz sortiert angezeigt. Nach Datum sortieren Alle Posts anzeigen

Samstag, 17. August 2019

Zurück zu Paaltjens, Sempre, die türkische Trommel und Probleme der Übersetzung.

Piet Paaltjens - Literatuurmuseum




Piet Paaltjens
(François Haverschmidt, auch HaverSchmidt
1835 - 1894)

Hör ich auf Sempre ein Waldhorn
Oder auch türkische Trommel -
Das kann mich zu Tränen bewegen
Und - ich weiß selbst nicht weswegen.

Fragt mich ein aktives Mitglied:
Was an der türkischen Trommel
Oder dem Waldhorn ist dir gelegen? -
Dann weiß ich selbst nicht weswegen

Ist's weil in besseren Tagen
Ein Freund die türkische Trommel
nicht ungeschickt konnte regen?
Ach - ich weiß selbst nicht weswegen.


Aus: Immortellen, 1850-1852.

Übersetzung Jaap Hoepelman
August 2019

Romantiek (1800-1900) – Leeskunst

Das kleine Gedicht ist eines meiner Lieblingsgedichte der Romantik. Die geheimnisvolle erste Zeile! Was bedeutet "Sempre"* ? Was hat das Waldhorn mit diesem unbekannten Wort zu tun? Wieso "auf Sempre"? Das Waldhorn ist ein schwieriges Instrument, das Geschick erfordert und romantische Gefühle hervorruft. Aber die türkische Trommel? Und wieso verschwindet das Waldhorn in der dritten Strophe und bleibt nur die türkische Trommel übrig?
Das Gedicht gibt also Rätsel auf, es ist ironisch, es übertreibt, es parodiert die gängigen tränenreichen Genres und es lässt Nicht-Zusammenpassendes unvermittelt auf einander stoßen. Es ist das Musterbeispiel eines romantischen traurigen Verses, der zur gleichen Zeit seine eigene Parodie ist. Man kann aber nicht sagen, dass der Dichter sich anstellte und nur posierte: Als die unbeschwerte (nun ja) Studentenzeit vorbei war und HaverSchmidt seinem Ruf als Pfarrer folgen musste, hat seine Trauer ihn nach und nach eingeholt und er hat sich umgebracht.

Ich habe hier schon einige von Paaltjens Gedichten übersetzt und hatte schon lange den Wunsch, mich auch an diesem in den Niederlanden berühmten Gedicht zu versuchen. Es war nicht einfach. Ich muss gestehen, dass ich als Übersetzer eigentlich versagt habe: Die niederländische Fassung enthält nur ein einziges, sich wiederholendes Reim in den Zeilen 2 und 4:

"... Turkse Trom"
-             ...
"...ik zelf niet waarom"

Es gelang mir einfach nicht, dazu die passenden deutschen Reime zu finden. Die "türkische Trommel" wollte sich nun mal nicht mit "warum" paaren, und widersetzte sich allen Kniffen. Deswegen habe ich den Reim auf die Zeilen 3 und 4 gelegt. Mit schlechtem Gewissen. Etwas ganz Wichtiges im Rhythmus und Klang habe ich nicht hinbekommen: " trom, waarom/trom, waarom/trom, waarom"....Darauf reimt sich "bom, bom, bom" (kurzes "o"), d.h. "bumm, bumm, bumm" - genau wie der dumpfe Klang der türkischen Trommel, vielleicht in einem Trauermarsch. Genau wie in einem Trauermarsch erfolgen die Schläge im gemessenen langsamen Rhythmus, d.h. mit einer Zeile dazwischen, nicht in zwei schnell aufeinander folgenden Reimen. Ein anderes Gedicht aus der gleichen Sammlung lässt die Vermutung zu, dass es sich hier tatsächlich um einen verstorbenen Freund handelt.
Mit meinen "e"-Reimen konnte ich diese Klangwirkung nicht erreichen. Schade, aber vielleicht bleibt trotzdem etwas übrig von der überempfindlichen Stimmung der Zeit. Tuberkulose, Cholera, Syphilis, Typhus...und Heines Buch der Lieder - für Trauer und Melancholie gab es ausreichend Grund und Vorbilder.
Für einen besseren Eindruck bringe ich hier das niederländische Original. Schwer zu verstehen ist es ja nicht.

Piet Paaltjens

Hoor ik op Sempre een waldhoorn
Of ook wel een Turkse trom,
Dan moet ik zo bitter wenen;
En - ik weet zelf niet waarom.

Vraagt een der werkende leden:
'Hoe kan een Turkse trom
Of een waldhoorn u zo roeren? -
Dan weet ik zelf niet waarom.

Is 't wijl in beetre dagen
Een vriend de Turkse trom
Niet onverdienstlijk bespeelde?-
Ach, ik weet zelf niet waarom.

Aus: Immortellen, 1850-1852.

* "Sempre" steht für für "Sempre Crescendo",
die Musikgesellschaft der Studenten in der Universitätsstadt Leiden.

Samstag, 27. Januar 2018

Tod, Liebe und Humor

Afbeeldingsresultaat voor piet paaltjens

Wenn Praxis und Melancholie auf einander treffen, entsteht sardonischer Humor. Ein anderer Pfarrer-Dichter, Piet Paaltjens (Pseudonym von François HaverSchmidt (1835 – 1894)) versteckte, man kann auch sagen verstärkte seine Melancholie durch die Zusammenführung beider Bereiche, bis die Melancholie die Überhand gewann und er sich umbrachte. Der Tod, der Selbstmord und selbstverständlich die gescheiterte Liebe sind wiederholte Themen schon in seiner Studentenpoesie, versteckt hinter virtuosem Spott. Ob dazu beitrug, dass François einwohnte bei einem Leichbitter sei dahin gestellt:

Immortelle XCVI

    Als ik een bidder zie lopen,
    Dan slaat mij ’t hart zo blij,
    Dan denk ik, hoe hij weldra
    Uit bidden zal gaan voor mij. 


Aus Immortellen, 1850-1852.


Wenn ich den Leichbitter sehe
Dann freut meine Seele sich
Dann denke ich wie er demnächst
auch bitten wird für mich.


Übers. Jaap Hoepelman, Jan. 2018


Der Zusammenstoß zweier Welten kann katastrophal ausgehen und zu den Spaltprodukten gehört bissiger Spott mit den romantischen Klischees. Auf alle Fälle gehört "An Rika" zu den ersten niederländischen Gedichten, in denen der Zug eine Hauptrolle spielt. Für mich ist überraschend, dass schon in einem Gedicht aus 1850 die Rede ist von einem "Schnellzug", wobei die erste Bahnlinie in Holland erst gut zehn Jahre zuvor fertiggestellt worden war. Vergleichbare Verkehrsprojekte brauchen heute länger.

Afbeeldingsresultaat voor trein arend prent
An Rika

Nur einmal hab ich Dich gesehen. Du warst
gesessen in einem Schnellzug, der den Zug
in dem ich saß, passierte in voller Fahrt.
Der Augenblick war wahrlich kurz genug.

Trotzdem, er dauerte so lang, dass ich
den langen Lebensweg mit mattem Lachen
nur verfolgen kann. Ach! Seit ich Dich
sah, kann nichts mir Freude machen.

Warum nur hast Du dieses blonde Haar,
das sonst den Engeln eigen ist? Und dann,
Warum die blauen Augen, wundertief und klar?
Du wusstest wohl, dass ich die nicht ertragen kann!

Und warum bist Du denn an mir vorbeigeflogen,
Und hast nicht, wie der Blitz, die Türe aufgerissen,
Und hast mich nicht an Deine Brust gezogen,
Und meinen Mund bedeckt mit Deinen heißen Küssen?

Du hattest Angst vielleicht um den Betriebsablauf?
Doch, Rika, könnt' ich höh're Seligkeit erreichen
Denn, unter höllischem Gestampfe und Geschnauf,
Mit Dir zerquetscht zwischen den Weichen?

Piet Paaltjens 1852


Rika

Übersetzung Jaap Hoepelman 2017

Sonntag, 28. Januar 2018

Schrecken der Romantik

 Afbeeldingsresultaat voor piet paaltjens de zelfmoordenaar

Der Selbstmord war ein beliebtes Thema in der Romantik, so auch bei Paaltjens. Sogar der doppelte Selbstmord, besonders gerne in Verbindung mit verschmähter Liebe, wie im Blog vom 27.01.2018.
Auch im nächsten Gesang geht es um den Suizid. Aber wo ist die verschmähte Liebe? Wo ist die Geliebte und wer ist sie? Fragen über Fragen, aber bei genauerem Hinsehen werden alle Fragen beantwortet.

Der Selbstmörder

Es war dunkel im Wald
- Zudem Herbst und sehr kalt -
Und ein Herr irrt' umher ganz alleene.
Ach sein Blick war so so stumpf!
Seine Kleider zerlumpt!
Und er mahlte und knirschte die Zähne.

„Ha!“ so rief er erregt,
„Hab' 'ne Natter gehegt,
„Nein, schlimmer, an der Brust hier ein Untier!“
Und er schlug sich ans Paletot
Und in den Matsch trat er so,
Dass es spritzte ihm an den Hals schier.

Und jetzt suchte sein Blick
Einen Eichenast, dick
Genug um den Körper zu tragen.
Danach, mit Geschick,
Knüpfte er einen Strick
Und kein Schlick spritzte mehr bis zum Kragen.

Es ward still nun im Wald
Und noch zehnmal so kalt,
Denn der Winter kam näher und näher.
Und inzwischen am Ast
Ganz entspannt, ohne Hast,
Hing der Herr, zum Erstaunen der Häher.

Und der Winter ging hin
Denn der Frühling erschien
Daraufhin war der Sommer gekommen.
Zu der Zeit – es war warm –
Ging ein Paar Arm in Arm
Durch den Wald. Und ihm wurde der Atem genommen!

Als sie gingen, ganz zärtlich,
Dachte kosend das Paar sich,
Dass unter dem Baum wär' gut knutschen.
Und genau zu der Zeit
War ein Stiefel bereit
Vom gehangenen Schenkel zu rutschen.

„Ach du gütiger Himmel! Woher
Kommt denn der Stiefel?“ so
Starrte das Pärchen empor.
Und es sah mit Entsetzen
Diesen Herrn; aus zerschlissenen Fetzen
Stach bleich ein Gerippe hervor.

Auf dem grinsenden Kopf
Stand der Hut wie ein Topf,
Denn es fehlte der Rand. Alles Linnen
War zerfressen und grau,
Durch ein Loch schau-
ten Käfer und Würmer und Spinnen.

Seine Uhr stand längst still,
Und ein Glas seiner Brill'
War zerbrochen, das and're beschlagen.
Und am Kamm seines Beckens
befand sich 'ne Schnecke,
Eine schleimige Schnecke, und nagte.

Doch die Lust sich zu lieben
war auf ein Mal vertrieben
Nicht ein Sterbenswort sprachen die beiden.
Und vor Schreck kreidebleich
Sah das Paar geistergleich
Aus wie Laken gebleicht auf der Weide.

Piet Paaltjens 1852

zelfmoordenaar

(Übers. Jaap Hoepelman April 2017)

Dienstag, 30. April 2024

Focquenbroch. Ein böser Bub aus dem 17. Jahrhundert, oder Fumus Gloria Mundi

    

Willem Godschalck van Fockenbroch 

1640-1670


Dichter sind Außenseiter. In diesem Blog haben wir sie kennengelernt: Piet Paaltjens, de Schoolmeester, van Schagen, AshetuAchterberg, Slauerhoff, Komrij,...die Liste kann mühelos fortgesetzt werden. Über Willem Godschalck van Fockenbroch ist wenig bekannt, aber er trieb das Außenseitertum sehr weit. Sein mageres Gehalt als Armenarzt reichte nicht zum Leben, dazu litt er heftig unter Liebeskummer (darin, allerdings, war er keine Ausnahme). Um seinen Schwermut zu vertreiben rauchte er Pfeife. Er war richtig süchtig. Ob er, als Amsterdamer, die Pfeife nur mit Tabak stopfte ist mir leider nicht bekannt. Sein Lebensmotto passt zur seiner Sucht und zu seiner Stimmung: "Fumus Gloria Mundi" - "Der Welten Glanz ist nichts als Rauch". Zu seiner Melancholie passte das Genre der Burleske, das sich gerne über Feierliches lustig macht, wie Focquenbroch sich über seine vergeblich Angebeteten und über sich selbst traurig-lustig machte. So verknüpfte er gerne das petrarkische Sonett, in dem klassisch-erhaben unerreichbare Schönheit bejammert wird mit unverschnitten Erotischem, Unanständigem und Fäkalischem, was ihm bis in unsere Zeit übel genommen wurde:

"Seine Arbeiten sind so schmierig und platt, wie sie in unserer Literatur selten Vergleichbares finden...er suhlt sich in Wolllust und Schmutz wie ein Schwein im Schlamm", entrüstete sich der Literaturhistoriker Kalff noch Anfang des 20. Jahrhunderts.

Focquenbroch hatte also einiges mit dem Spott der Dichter der Romantik gemein und er wird heute, wo der Anstand andere Formen angenommen hat, zunehmend geschätzt.

Durch Geldmangel und Liebeskummer getrieben, musterte Focquenbroch 1668 an bei der West-Indischen Companie (WIC) als "Fiscaal", eine Art Zollbeamter. 

              Das Lager der WIC. Amsterdam, 1655

                                                                            Hauptniederlassung des WIC in Amsterdam
                                              (1623-1647) 

Die WIC hatte das Alleinrecht für die Niederlande auf  die Ausfuhren aus der Elfenbein-, der Gold- , und der Sklavenküste. Die Handelsware entsprach im Wesentlichen den Namen der Küsten. 


Elfenbein-,Gold- und Sklavenküste um 1650

Der "Fiscaal" hatte als eine seiner Aufgaben die Bekämpfung der Schmuggler, gegen Teilhabe an der beschlagnahmten Schmuggelware. Focquenbrochs Standort war Elmina an der West-Afrikanischen Küste, der wichtigste niederländische Stützpunkt dort, aber auch andere Mächte hatten sich in West-Afrika festgekrallt, darunter Frankreich, England, Dänemark, Schweden und Brandenburg. 

Elmina wurde als Hölle auf Erden beschrieben, die Überlebensdauer der Holländer wird mit 60 Wochen angegeben. 

Aus Elmina schickte Focquenbroch seine Gedichte dem Freund Ulaeus zu, der sie unter dem Titel " Thalia of Geurige Sang-Goddin" (1668, 1669) und posthum als "Afrikaense Thalia" veröffentlichte.

Der Titel ist ein gutes Beispiel für Focks (so nannte er sich oft) burlesken Humor: Thalia ist die Muse der komischen Dichtung, aber "geurig" bedeutete im 17. Jahrhundert nicht nur "wohlriechend" und "verspielt", sondern auch "anrüchig".

Focquenbroch starb 1670 mit 30 Jahren, vermutlich an Gelbfieber.

                        Fort Elmina, 17. Jahrhundert.

Focquenbrochs Motto passt in gewissem Sinne auch zur WIC. 1792 ging die Kompanie pleite und wurde aufgelöst. 1821 wurden die meisten Archivalien einem Altpapierhändler verkauft (vielleicht aus Scham?) während die übriggebliebenen während eines Feuers im Marinedepartement in Rauch aufgingen (1844). Somit blieb von Fock außer einer Reihe von Gedichten und einiger Komödien fast nichts übrig. Eine ausgeklopfte Pfeife und etwas Rauch.


Sonett


Wie könnte ich, o schöne Klorimene, dir

gefallen, ich, der ich als Mensch geboren

und du, so scheint's, hast einen dir erkoren,

der jetzt dein Herz hat, einen wie ein Tier.


Ach, jetzt versteh' ich: nur mit einem Biest

das weibliche Geschlecht zur Liebe ist bereit.

Herr Jupiter begriff es, als vor langer Zeit

er öfters göttlich aufs Gesicht gefallen ist,


weswegen endlich er, zum Besseren belehrt,

für Leda hat den Schwan herausgekehrt

und Frau Europa hat entführt als Stier.


Es kann also noch Mensch noch Gott gewinnen:

Wer eine Liebschaft will mit einer Frau beginnen,

muss mehr nicht sein, als nur ein Tier.


(Klinkdicht)

Übersetzung Jaap Hoepelman, Dez. 2021


Das obige Sonett kam noch ziemlich gesittet daher, aber Fock konnte auch anders, z.B. um sich an einem Nebenbuhler zu rächen,  zur ewigen Entrüstung der Sittenmeister:


Grabschrift


Hier liegt ein feiner Pinkel, der wohl daran

verstarb, dass er mit seinem Ballermann

aus Tollerei, aus Zeitvertreib,

gespielt hat auf dem Nachbarinnenleib.

Wo er jetzt ist? Ich kann nur raten,

ich glaube nach wie vor jedoch:

Todsicher wird er in den Himmel nicht geraten,

wenn er den Eingang sucht durch dieses Loch.


(Graf-Schrift)

Aus: Tweede Deel Van Thalia, of Geurige Zang-Goddin (1668)

Übersetzung Jaap Hoepelman, Dez. 2021


"er suhlt sich in Wolllust und Schmutz, wie ein Schwein im Schlamm" meinte der gute Kalff und trotz neuerlicher Wertschätzung bleibt Focquenbrochs Ruf ziemlich ruiniert. Weitere Beispiele seiner Schweinereien können uns also nicht genieren:


Auf die schwarzen Zähne des

 Fräulein N.N.


Dein Mund, Gesims aus angerauchten Zähnen,

Zeigt deutlich dem, der was davon versteht:

Man braucht das heiße Feuer deines Ofens nicht erwähnen,

von dem der schwarze Rauch bis hoch ans Kauwerk geht.


(uit "Alle de Werken van Willem Godschalck van Focquenbroch")

Übersetzung Jaap Hoepelman Dez. 2021



Auf Gret


Gret sagt, sie lässt zu sich nur ihre Freunde rein;

Ja, wo im Lande, sag' ich, mögen ihre Feinde sein?


Übersetzung Jaap Hoepelman Dez. 2021


Um das Bild Focquenbrochs abzurunden, hier noch ein ernsthaftes Gedicht. Obwohl, bei der Arbeit kommen mir dann doch Zweifel, ob sich nicht auch hier die Burleske das böse Köpfchen erhebt. 


Eranemite (aus der Afrikaense Thalia)

Übersetzung Jaap Hoepelman 2021



Hendrick Goltzius, 
Das Gesicht 1576


Montag, 28. Juli 2025

Namen im diesem Blog

      Ihr, die hier eintretet,....




Achterberg, Gerrit
Adriaan Roland Holst
Adwaita
Aegidius
Andreus
Ashetu, Bernardo
Bellamy, Jacobus
van Eeden, Frederik

Mittwoch, 28. Juli 2021

Jan Kal und der Mont Ventoux

                               Jan Kal 1946 - 

Nach dem Krieg  machte es für viele Dichter  (wie LodeizenKouwenaarLucebertAndreus) keinen Sinn, die althergebrachten Formen weiter zu betreiben. Andere (wie M. Vasalis und Gerrit Achterberg) blieben bei der Tradition und wurden auch weiterhin geschätzt. Trotzdem machte die Beherrschung des Handwerks in dieser Zeit oft einen etwas verschämten Eindruck und versteckte sich gerne unter der Maske der Spaßpoesie. In den Siebzigern aber gewannen Dichter, die Wert legten auf die Beherrschung des Metiers wieder an Selbstvertrauen, nicht zuletzt durch den Einfluss von Gerrit Komrij. Das Sonett (war es nicht immer ein Gipfel der Dichtkunst gewesen?) fand wieder Beachtung. Auch das letzte Gedicht des Hans Andreus, geschrieben auf dem Sterbebett, ist ein Sonett. Elemente der Spaßpoesie hatten aber ihren Einzug gehalten, darunter welche des Sports, der in akademischen Seminaren mit Verachtung bestraft wird. Sport findet man z.B. bei Scheepmaker und bei Jan Kal, dessen erstes Bündel Gedichte sogar eine Sportart im Titel trägt. Kal hat als Student der Medizin angefangen und sich dann aus romantischen Gründen aufs Dichten verlegt, romantisch wie Piet Paaltjens, an wie er mich irgendwie erinnert. Kal schreibt sogar fast ausschließlich Sonette. Schon sein erstes Gedicht, "Mont Ventoux", hierunter mein Versuch einer Übersetzung, ist ein Sonett:


                                                                             Der Mont Ventoux
        

                                                                         

                                                                                 

Jan Kal


Mont Ventoux

Dichten ist radeln auf dem Mont Ventoux,

hier steckte Tommy Simpson damals auf.

Todmüde in dem tragischen Verlauf

quälte sich der Weltmeister dem Endstrich zu.


An diesem Col sind viele abgehängt,

erste Kategorie, seitdem tabu.

Es riecht nach Tannenduft, Sunsilk Shampoo,

das braucht man, wenn man an den Abstieg denkt.


Es macht unendlich müde, alles was man tut;

der Mont Ventoux ist wohl die schlimmste Schinderei,

also, man überlege wohl, eh' man beginnt.


Doch schaffe ich, sogar in dieser Glut,

den Gipfel dieser kahlen Wüstenei:

Eitelkeit und Haschen nach dem Wind.


Übersetzung Jaap Hoepelman, Juli 2021.


Aus: Jan Kal, Fietsen op de Mont Ventoux: (1974) Uitgeverij de Arbeiderspers



                        Denkmal für Tommy Simpson


                                                                                      Mont Ventoux: Höhenprofil


Dichtung, Sport, Leichtigkeit und Ernst lassen sich also sehr wohl mit einander in Verbindung bringen. Nicht umsonst hat Jan Kal als Thema für sein erstes Sonett den Aufstieg auf den Mont Ventoux gewählt: Petrarca, der Vater der Kunst des Sonetts hat 1336 die  Erstbesteigung des Mont Ventoux beschrieben und passend dazu aus den Bekenntnissen des Augustinus zitiert:

"Da gehen die Menschen, die Höhen der Berge zu bewundern und die Fluten des Meeres, die Strömungen der Flüsse, des Ozeans Umkreis und der Gestirne Bahnen, und verlieren dabei sich selber."

Das Sonett schließt, wie es sich gehört für einen niederländischen Dichter, mit einem Zitat aus Prediger 1,12 in dem man die Themen des Gedichtes gebündelt wiederfindet:

"Solch unselige Mühe hat Gott den Menschenkindern gegeben, dass sie sich damit quälen sollen.

Ich sah an alles Tun, das unter der Sonne geschieht, und siehe, es war alles eitel und Haschen nach Wind." 


Ich nehme an, dass es Jan Kal gefallen würde zu vernehmen, dass seine Gedanken auch in höchsten philosophischen Kreisen Zustimmung finden:

Sloterdijk: So um die zweieinhalb Stunden. Man muss wissen, dass der Mont Ventoux eine sehr bizarre abweisende Aura hat. Wenn man die Vegetationsgrenze erreicht, ist man plötzlich in einer lunaren Landschaft. Die Rennradfahrer spüren davon natürlich nicht viel, weil sie vor Anstrengung blind sind. Wir Amateure waren am letzten Aufstieg so phänomenal langsam, dass man ständig diese todeszonenhafte Stimmung des Gipfelbereichs gespürt hat. Wenn man dann auch noch an dem Denkmal für den armen Simpson vorbeifährt, der da 1967 kurz vor dem Gipfel verendete, ist man schon ziemlich demoralisiert und denkt für ein paar Sekunden über die Sinnhaftigkeit des Unternehmens nach.

Aus "Hundsgewöhnliche Proletarier", Interview mit Peter Sloterdijk, Der Spiegel, 07,07,2008,



Dienstag, 21. August 2018

Lévi Weemoedt. Liebe und Rausch.



Ähnliches Foto

Lévi Weemoedt

Lévi Weemoedt, Pseudonym von Isaäck Jacobus van Wijk 
(Vlaardingen, 1948). Weemoedt ist bekannt geworden durch seine Kurzgedichte, oft humoristisch mit einer melancholischen Pointe, ein ertappter Romantiker fast, mit Anklängen an Piet Paaltjens.  Auch tragi-komische Kurzgeschichten gehören zu seinem Œuvre. Erste Bekanntheit bekam er als Redacteur der satyrischen  Amsterdamer Studentenzeitschrift Propria Cures, aus der viele bekannte Schriftsteller, Publizisten und Kabarettisten hervorgegangen sind.



Reiche Vergangenheit

Ich war betrunken, als du bist gekommen
ich war betrunken, als du weggezogen bist
zwischendurch kann viel passieren, 
wenn man mal betrunken ist.


Aus: Rijk Verleden (1999)
Uitgever: Donker


Übersetzung Jaap Hoepelman 21.08.2018

Ed Hoornik. Prophetisches.

Pogrom   1938 Pogrom                                                                                                             Ed Hoornik ...