Freitag, 22. November 2019

Multatuli: Woutertje Pieterse und das Räuberlied.

Multatuli
1820-1887

Boekwinkeltjes.nl - De geschiedenis van Woutertje Pieterse ...


Von 1862 bis 1877 arbeitete Multatuli an seinen "Ideen", eine Loseblattsammlung Skizzen, Aphorismen und Notizen, die ihm eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit verschafften. Es war das richtige Vehikel, seine Einfälle ungehemmt los zu werden. Teil der Ideen waren ein vollständiges Schauspiel "Fürstenschule" ("Vorstenschool") und der Entwicklungsroman "Der kleine Walther" ("De Geschiedenis van Woutertje Pieterse"). "Der kleine Walther" beschreibt den Werdegang eines empfindsamen, romantischen kleinen Jungen und wird als den ersten Entwicklungsroman der kindlichen Psyche in der niederländische Literatur betrachtet. Es war nie Multatulis Absicht "Den kleinen Walther" als eigenständigen Roman heraus zu geben. Erst 1900 wurde aus den "Ideen" von Multatulis Witwe, Mimi Hamminck Schepel,  einen Auszug erstellt und als "Woutertje Pieterse" heraus gegeben. 


Mimi Hamminck Schepel - Wikipedia
Mimi Hamminck Schepel
1839-1930


Der aphoristische Stil der "Ideen" durchzieht den ganzen Roman und führt zu sketchenähnlichen Szenen, die dazu beitrugen, dass "Woutertje Pieterse" nach dem "Max Havelaar" zum beliebtesten Werk des Autors wurde. Ein gutes Beispiel ist die Szene in der Meister Pennewip Familie und Nachbarn an Hand eines von Wouter selbst geschriebenen Gedichtes eindrucksvoll demonstriert, dass Walter zu den "Räubern, Mördern, Frauenschindern und Brandstiftern" gehört. Dabei war die Aufgabe gewesen, ein Gedicht über die Tugend zu schreiben!
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Fragment aus Multatulis Ideen (1862 - 1877).



- Ich werde Ihnen etwas, das er geschrieben hat vorlesen, sprach der Schulmeister und wer dann noch zweifelt an der Verdorbenheit dieses Knaben...
Die Gesellschaft versprach einmütig nicht zweifeln zu wollen. Das Fragment, das der Schulmeister daraufhin vorlas, war tatsächlich derart, dass Zweifel fast unmöglich war und auch mir, der ich Walter zu meinem Helden gemacht habe, wird es schwer fallen, den Leser davon zu überzeugen, dass er nicht so schlimm war, wie es aussieht in seinem fürchterlichen

"Räuberlied

Mit dem Schwert,
auf dem Perd,
helmbewährt und das Haupt hoch gehalten
Auf ihn los! Und dem Feinde den Schädel gespalten
Auf geht's heute!

- Ach du lieber Gott, rief  die ganze Gesellschaft, isser tollwütig?

Auf geht's heute!
Auf dem Weg,
Bei dem Steg,
Und mit Hieben und Stichen
Die Dragoner verjagen, und den Grafen vernichten...

- Lieber guter Gott, was hatter denn gegen den Grafen? jammerte die Mutter.

- Um die Beute!

- Siehst du, es ist wegen der Beute, sagte Fräulein Laps, ich sag ja immer, man fangt mit der Bibel an, und...

Und die Beute
Ist die Braut, die ich heute...

- Hast du sowas je....seine Braut! Der hat gerade gewechselt!

Und die Beute
Ist die Braut, die ich heute
Mit dem Stahl mir gekauft...

- Mit dem Sta...a...a...a...ahl?

Und die Beute
Ist die Braut, die ich heute
Mit dem Stahl mir gekauft...
Und ich flieg', federleicht, führe mit sie im Sattel,
Zu der Grotte...

- Himmlischer Gnaden, was will er in der Grotte?

Wie der Wind
So geschwind'
Jag' ich hin mit der Fracht,
Und ich geb' auf ihr Schreien und Winseln nicht...

- Ach, gerechtiger Frieden, das Mensch winselt deswegen!

Und ich geb' auf ihr Schreien und Winseln nicht Acht!
Welch Genuss!

- Genuss nennt er das! Mich fröstelt's!

Und dann wieder
auf-und-nieder,
Rechts und links durch das Land...

- Ach Jesses, da geht er wieder!

Und dann wieder
auf-und-nieder,
Rechts und links durch das Land,
Hier ein Hofgut zerstört, dort ein Kloster verbrannt,
Nur zum Spaß!

- Die Hölle ist in den Jungen gefahren...zum Spaß!

Dann wieder nach vorn
Dem Rosse die Spor'n
Auf zu neuen Abenteuern...

- Schon wieder? Wo im Namen Gottes will er jetzt schon wieder hin? Man könnte ohnmächtig...

Dann wieder nach vorn
Dem Rosse die Spor'n
Auf zu neuen Abenteuern,
Und mein Weg ist gezeichnet durch Blut und durch Feuer,
Denn Rache...

- Guter Gott, was haben sie ihm denn getan?

Denn Rache
Kann nur Sache
Des Waldkönigs sein...

- Ist er wahnsinnig? ...Ich werde ihn königen!

Denn Rache
Kann nur Sache
Des Waldkönigs sein,
Der das Zepter verteidigt, gegen alle allein...

- Was'n das für'n Ding?

Der das Zepter verteidigt, gegen alle allein...
Und Panier!
Auf, hurrah...
Ich greif' an, folge mir!

Die Gesellschaft schauderte bei dieser Einladung.

Und Panier!
Auf, hurrah...
Ich greif' an, folge mir!
Kein Geschöpf wird verschont,
Alle Männer gehängt...

- Riechwasser! Gertrude, du siehst, dass ich...

Alle Männer gehängt, und die Frauen...

- Riechwasser!...Riechwasser!

...die Frauen verhöhnt,...

- Riechwasser, Riechwasser, Riechwasser...Gertrude!

die Frauen verhöhnt,
Nur zum Spaß!"

- Nur zum Spaß...wiederholte der Schulmeister im Grabeston, nur zum Spaß!
Er...macht...diese...Dinge...zum...seinem...Ver...gnü...gen!


Die ganze Gesellschaft lag in Ohnmacht, sogar Stoffels Pfeife war ausgegangen.
Aber Walter machte einen ganz entspannten Eindruck, und als seine Mutter ihn ausreichend verhauen hatte um ihre Geistesgegenwart zurück zu gewinnen, legte er sich nicht unzufrieden hin in einer Ecke des Hinterzimmers, wo er bald einschlummerte um von Fancy zu träumen.

Übersetzung Jaap Hoepelman
November 2019
Roverslied
Roverslied
Als Kurzoper

Montag, 18. November 2019

Multatuli: "Bis zum heutigen Tag"...


Eduard Douwes Dekker 
(Pseud. Multatuli, 1829-1887)

Nicht nur die Geschichte von Hassans Datteln gehört in den niederen Landen zum Standardrepertoire, sondern auch die Geschichte der Thugater, die so vorzüglich melken konnte. Multatuli war ein großer Befürworter der Frauenemanzipation. Er bewunderte - anfänglich - die Schauspielerin Mina Kruseman, die die Rolle der Königin Louise spielte in Multatulis Drama "Fürstenschule" aus 1872.


Een afbeelding van Mina in haar tijd als artieste / Bron: Schift.nl
Mina Kruseman, 1835-1922


                                                            Vorstenschool - Wikipedia



Mina Kruseman war eine der ersten Feministinnen in den Niederlanden. Sie bestand sehr auf ihre Unabhängigkeit und ließ sich von keinem etwas sagen. Auch nicht von Multatuli, der mit der Schauspielkunst der Kruseman gar nicht einverstanden war und sich so lange beschwerte, bis Kruseman aufgab, was das Ende der Beziehung bedeutete.
Eine andere Mina war die politisch und intellektuell  ungleich bedeutendere Wilhelmina Drucker, die sich Multatulis Geschriften und Standpunkten sehr zugeneigt fühlte und einen Roman über die Ungleichbehandlung nach Multatulis "Max Havelaar" modellierte.
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Wilhelmina Drucker 1847-1925

Sie führte sie einen lebenslangen harten Kampf für Gleichberechtigung, Anerkennung und Pazifismus, teilweise zusammen mit der Ärztin und Sexualreformerin Aletta Jacobs, und verdiente sich so den Ehrennamen "Eiserne Minna".
Multatulis Veröffentlichungen spielten eine wichtige Rolle in der Emanzipationsbewegung, und sie waren besonders wirksam durch seine Bekanntheit als Schriftsteller und seinen brillanten Schreibstil. Die folgende "achte Geschichte von der Autorität", ist ein sprechendes Beispiel.


Achte Geschichte von der Autorität
(aus "Minnebriefen" 1861.)

Thugater melkte die Kühe ihres Vaters, und sie melkte gut, denn die Milch,
welche sie nach Hause brachte, lieferte mehr Butter als die Milch, die von ihren
Brüdern nach Hause gebracht wurde. Ich werde dir sagen, wie das zustande kam,
und gib fein acht, Fancy*, damit du es weißt, wenn auch du einmal ausziehen wirst zum Melken.
Ich sage es dir aber nicht, damit du melken wirst wie Thugater, sondern um dich
auf das Beispiel ihrer Brüder aufmerksam zu machen, denen es besser erging dadurch,
dass sie schlechter melkten. Dafür aber klüger.

Bevor bei den Bauern das Jungvolk auf die Weide geht,
ja, lange vor dieser Zeit, stehen die Kühe am Gitter und warten,
damit man sie entlastet vom Überfluss, den sie eigentlich bereit halten
für ihre Kälber. Aber die Menschen essen die Kälber, weil sie meinen dafür geeignet zu sein,
und dann gibt es zuviel Milch in den Eutern.

Was aber geschieht, während die Kühe mit dümmlichem Gesicht vor dem Gitter warten?
Während sie da stehen schwimmen die leichtesten Anteile der Milch, der Rahm, das Fett, die Butter, nach oben und treiben somit am weitesten entfernt von der Zitze.
- "Zitze" heißt "Tepel" auf Niederländisch und ist männlich, was ich ziemlich albern finde.

Und siehe, Thugater hatte keine Eile, aber ihre Brüder schon.

Denn diese behaupteten, dass sie ein Recht hätten auf etwas anderes, als die Kühe ihres Vaters zu melken.
Aber sie dachte an dieses Recht nicht.

- Mein Vater hat mir beigebracht zu schießen mit Pfeil und Bogen, sprach einer der Brüder.
Ich kann leben von der Jagd, und ich will durch die Welt ziehen, und arbeiten auf eigene Rechnung.

- Mir hat er das Fischen beigebracht, sagte der zweite. Ich wäre verrückt immer nur zu melken für einen anderen.

- Mir zeigte er, wie man eine Schute baut, rief der dritte. Ich hacke einen Baum um und setze mich darauf, im Wasser.
Ich möchte wissen, was es zu sehen gibt auf der anderen Seite des Sees.

- Mich gelüstet es, mit der blonden Gune zusammen zu ziehen, erklärte der vierte, dass ich ein eigenes Haus habe, mit Thugaters da drinnen, um für mich zu melken.

So hatte jeder Bruder einen Wunsch, eine Begierde, einen Willen.
Und sie waren so erfüllt von ihren Neigungen, dass sie sich nicht die Zeit nahmen, den Rahm mitzunehmen, den die Kühe bei sich behalten mussten, ohne Nutzen für irgendeinen.

Aber Thugater molk bis zum letzten Tropfen.

- Vater, riefen endlich die Brüder,  wir gehen!

- Und wer wird melken? fragte der Vater.

- Na klar, Thugater!

- Und was wird, wenn sie auch Lust bekommt auf fahren, fischen, jagen, in die Welt ziehen?
Was, wenn auch ihr der Gedanke kommt, sich mit etwas Blondem oder Braunem
zusammen zu tun, dass sie ein eigenes Haus habe, mit allem, was dazu gehört?
Ihr werdet mir nicht fehlen, aber sie, weil die Milch, die sie nach Hause bringt so fett ist.

Da sagten die Söhne, nach einigem Nachdenken:

- Vater, bring ihr nichts bei, dann wird sie weiter melken bis zum Ende ihrer Tage. Zeige ihr nicht, wie eine gedehnte Schnur, sich zusammenziehend einen Pfeil abschießt.
Dann wird sie keine Lust auf jagen verspüren.
Halte für sie die Eigenschaft der Fische verborgen, die einen scharfen Haken verschlucken, wenn dieser versteckt ist unterm Köder.
Sie wird nicht daran denken Haken oder Netze auszuwerfen.
Erkläre ihr nicht, wie man einen Baumstamm aushöhlt um damit zur anderen Seite des Sees überzusetzen.
Dann wird sie keine Lust verspüren auf die Überseite.
Und niemals lasse sie wissen, wie sie mit Blond oder Braun ein eigenes Haus erwerben kann,
und alles, was dazugehört.
Dies alles lasse sie nie wissen, o Vater, dann wird sie bei Euch bleiben und die Milch Deiner Kühe wird fett sein.

Also sprachen die Söhne. Doch der Vater, der ein sehr vorsichtiger Mann war, erwiderte:

Ihr Lieben, was hindert sie daran, zu wissen, was ich sie nicht lehrte? Was, wenn sie eine Libelle sieht auf einem schwimmenden  Ast?
Was, wenn der verzwirnte Spinnfaden, sich zusammenziehend, den Spinnrocken forttreibt, bei Zufall?
Was, wenn sie am Ufer des Baches einen Fisch beobachtet, der nach dem Wurm schnappt, und sich gierig verbeißt in die scharfe Hülse des Rohrs?
Und was, endlich, wenn sie das Nest findet, das die Lerchen sich bauen im Klee in Mai?

Die Söhne dachten wiederum nach, und sagten:

- Sie wird daraus nichts lernen, Vater! Sie ist zu dumm, als dass sie Begierde schaffte aus Wissen.
Auch wir hätten nichts gewusst, wenn Du uns nichts gesagt hättest.

Aber der Vater antwortete:
- Nein, dumm ist sie nicht. Ich fürchte, dass sie von sich aus lernen wird, was ihr ohne mich nie gelernt hättet. Dumm ist Thugater nicht!

Wieder dachten die Söhne nach, - diesmal tiefer, - und sie sagten:

-Vater, sage ihr, dass Wissen, Begreifen und Begieren...sündig ist für ein Mädchen!

Diesmal war der sehr vorsichtige Vater zufrieden.

Er ließ seine Söhne davon ziehen, zum Fischfang, zur Jagd, in die Welt, in die Ehe, ...überall hin.
Aber Thugater verbot er das Wissen, das Begreifen und die Begierde, und sie melkte in Einfalt weiter bis zum Ende.

Und so ist es geblieben, bis zum heutigen Tag.

* Fancy ist eine Fantasiegestalt, die in Multatulis Schriften häufig auftritt.

Achtste geschiedenis van gezag

Übersetzung Jaap Hoepelman
November 2019

Samstag, 16. November 2019

Multatuli und Hassans Datteln.


Eduard Douwes Dekker 
(Pseud. Multatuli) 
1820-1887

1861,  2 Jahre nach seinem anti-kolonialen Paukenschlag "Max Havelaar" schrieb Multatuli seine "Minnebriefe" eine als Roman verfasste Sammlung Briefe, Geschichten, Märchen - "Es ist alles! Poesie, Sarkasmus, Politik, Wolllust, Schärfe, Logik, Theologie...alles", schrieb Multatuli. Willem Frederik Hermans,  selber ein höchst eigenwilliger Literat, berühmt um seine beißende Polemiken, nannte die "Minnebriefe" "einen der unbändigsten Bücher, welche die niederländische Literatur vorzuweisen hat". Nach dem "Max Havelaar" hatte die anti-autoritäre Einstellung Multatuli nicht verlassen, im Gegenteil: Die Briefe enthalten 9 Parabeln, genannt "Geschichten von der Autorität". Obwohl keine Gedichte im eigentlichen Sinne, finde ich sie doch sehr poetisch in Form und Sprache. Sie sind poetisch nicht weit entfernt vom "Lied des Saidjah", dem großen Prosagedicht in "Max Havelaar". Deswegen übersetze ich hier die vielleicht bekannteste Geschichte - bestimmt nicht als erster, denn Multatuli war eine Zeitlang sehr bekannt in deutschen Kreisen -, die Geschichte von Hassans Datteln. Und man wird sehen...sie ist aktuell bis zum heutigen Tag.



Multatuli 1861

Neunte Geschichte von der Autorität

Hassan verkaufte Datteln in den Straßen von Damaskus.
Wenn ich sage, dass er sie verkaufte, meine ich eigentlich, dass er sie nicht verkaufte, denn seine Datteln waren so mickrig, dass keiner sie kaufen wollte.

Erfüllt von Trübsinn und Neid musste er zuschauen, wie jeder den reichen Aouled bevorzugte,
der neben ihm auf einer Matte seine Wohnung hatte.
Denn man wohnte auf Matten in Damaskus, hoch aufgeschichteten Matten, weil man kein Dach über dem Kopf hatte.
Aouleds Reichtum bestand dementsprechend nicht aus Häusern, sondern aus einem Garten,
der sehr fruchtbar war, ja, so fruchtbar, dass die Datteln die dort wuchsen so groß waren wie drei gewöhnliche Datteln.
Und deswegen kauften die Vorbeigänger Datteln von Aouled, und nicht von Hassan.

Da kam ein Derwisch in die Stadt, der zuviel an Weisheit besaß und zu wenig an Nahrung;
zumindest tauschte er sein Wissen für Speise, und man wird sehen, wie es unserem Hassan wohl erging bei diesem Tausch.

- Gib Du mir zu essen, bat ihn der Derwisch, und ich werde für Dich tun, was kein Kalif für Dich tun kann. Ich werde das Volk dazu bringen, Deine Datteln zu kaufen, indem ich sie groß mache,
ja, größer als die Früchte des Aouled...Wie groß sind die?

- Leider, Derwisch, den Allah geschickt hat, - ich küsse Deine Füße - Aouleds Datteln - möge Allah ihm Krämpfe geben - sind dreimal größer als gewöhnliche Datteln!
Tritt herein auf meine Matte, überkreuze Deine Beine, sei gesegnet, und lehre mich, wie ich meine Datteln groß mache und das Volk dazu bringe, sie zu kaufen.

Hassan hätte fragen können, wieso der Derwisch, der doch so fähig war, Bedarf an Speise hatte?
Aber Hassan suchte nie Händel. Er bot seinem Gast gekochtes Leder an,
alles was übrig geblieben war von einem gestohlenen Ziegenbock.

Der Derwisch aß, sättigte sich, und sprach:

- Dreimal größer als gewöhnliche Datteln sind die Früchte Deines Nachbarn, ...wie groß möchtest Du, dass Deine werden, o Hassan, Sohn des... ich weiß nicht wessen?

Hassan dachte kurz nach und sprach:

Möge Allah Dir Kinder schenken und Vieh!
Ich wünschte mir, dass meine Datteln dreimal größer wären, als dass Du sie machen kannst.

- Sehr wohl, sprach der Derwisch. Schau her, ein Vogel, den ich mitgebracht habe aus dem fernen Osten.  Sage ihm, dass Deine Datteln so groß sind, wie drei!

- Ich wünsche Dir Frauen und Kamele, o Derwisch - der angenehm riecht wie Oliven, aber was nützt es, wenn ich dem Vogel sage, was nicht ist?

Tue wie ich Dir sage, sprach der weise Mann. Deswegen bin ich Derwisch, dass Du mich nicht begreifst.


Hassan wünschte dem Vogel Länge der Feder, und nannte ihn Rock.
Aber es war kein Rock.
Es war ein kleiner Vogel, einem Raben in etwa ähnlich, mit loser Zunge und hüpfendem Gang.
Der Derwisch hatte ihn mitgenommen aus Indalus, wohin Kaufleute ihn gebracht hatten über das Meer aus dem Land, wo die Menschen ähnlich sind wie Neger, obwohl es weit entfernt von Afrika liegt.
Hassan nannte ihn Rock, weil er bemerkt hatte, dass jemand, den man um etwas bittet, sich vergrößert. Und auch umgekehrt. Wer etwas braucht von einem anderen, schrumpft.
So war das, in Damaskus.

Hassan schrumpfte und sprach:

- Ich bin dein Sklave, o Vogel Rock! Mein Vater war ein Hund,...und meine Datteln sind so groß wie drei!

- So ist's richtig, sprach der Derwisch. Mach weiter so und fürchte Allah.

Hassan machte weiter.
Er fürchtete Allah und sagte dem Vogel immer wieder, dass seine Datteln unmöglich groß waren.
Der Lohn der Tugend ließ nicht lange auf sich warten.
Keine dreimal hatte der Kalif sämtliche Haremdamen umbringen lassen,
keine Mutter hatte ausreichend Zeit gehabt ihre Töchter ordentlich vorzubereiten auf den Markt zu Rhum, kein einziges Ziegenböcklein hatte Hassan gefunden um ihm Gesellschaft zu leisten und ihn am Leben zu erhalten auf seiner Matte, und siehe, der Vogel rief:
- Mein Vater ist ein Hund, - das war unnötig, aber er sprach Hassan nach.
- Mein Vater ist ein Hund, kriege Länge der Feder, die Datteln von Hassan, Ben...
Ich kenne Hassans Vatersnamen nicht, und wenn er ein Hund war, kommt es auch nicht darauf an.

- Hassans Datteln sind dreimal größer als sie sind!

Es gab damals noch neunmal Kluge in Damaskus, die dem widersprachen.
Aber das dauerte nicht lange. Irgendetwas war in der Stimme des Vogels, etwas, das sich auswirkte auf die Strahlbrechung der Luft. Die Datteln wuchsen und wuchsen...in den Augen der Leute...

Und der Vogel rief immerzu weiter:

- Hassans Datteln sind dreimal größer als sie sind!

Und sie wuchsen,...man überdehnte sich das Maul um reinbeißen zu können.

Und Aouled wurde sehr mager. Hassan aber kaufte viele Ziegenböcke und Lämmer, und er überdachte seine Matte, er wurde sehr ehrlich, und betrachtete es als eine Schande, wenn jemand, der selber keine Lämmer hatte, eins aufaß, das ihm, Hassan, gehörte.
Und er fürchtete Allah weiterhin.

Diesen Reichtum und diese Freude verdankte er dem kleinen Vogel, der immer das Gleiche sagte, und die Lüge zur Wahrheit machte durch Wiederholung.
Jeder war der Meinung, dass Hassans Datteln groß seien, jeder war gezwungen sie zu kaufen, jeder...

Außer Hassan selber, der sich heimlich versorgte bei Aouled, dessen einziger Kunde er war.

Und so ist es geblieben, bis zum heutigen Tag.



Negende geschiedenis van gezag

Übersetzung Jaap Hoepelman November 2019

Samstag, 9. November 2019

Nico Scheepmaker. Fußball und das Wunder der Übersetzung

Mal wieder etwas ganz anderes: Ende der 60-er Jahre, am Anfang der Fußballrivalität zwischen Deutschland und Hup Holland und lange vor Jules Deelder, schuf Nico Scheepmaker, Jounalist, Übersetzer, Slavist und Dichter nicht nur einen Höhepunkt der Fußballdichtung, sondern auch den Höhepunkt der totalen Fußballübersetzung, komplett mit taktischem Foul. Wie man sieht: Die Sonettform ist unverwüstlich.

Bildergebnis für nico scheepmaker
Nico Scheepmaker
1930 - 1990

"De Gedichten", 
Bert Bakker, Amsterdam, 1991


Het totale voetbal
Strik, Colombain, Van Beveren en Haan,
Pijs, Fransen, Bleijenberg en Advocaat,
Matthijssen, Overweg, Rep, Kwakkernaat,
Beek, Van der Kuijlen, Lelieveld en Zwaan,
Van Eeden, Hovenkamp, Kleton, Cabo,
Schneider, Kornelis, Bos en Klijnjan,
Smid, Krijgh en Oosterwold, Drost, Kolkman,
Van Kraay, Fernandez, Hoeben, Tetteroo.
Walbeek, Van Esdonk, Donkers en Redel,
Gritter en Schipper, Ouwens en Israel.
Herben, Van den Dungen, Jansen en Krol,
Coté, Marijt, Van Veen, Schrijver en Mol.
Rijsbergen, Schaafstra, Keizer en Vonk,
Van Kooten, Van der Ban, Suurbier en Pronk.
*
Das totale Fussball*
Kleff, Wimmer, Hoeneß, Held und Beckenbauer,
Kapellmann, Jung, Grabowski, Franke, Klein,
Müller, Geye, Wunder, Nigbur und Hölzenbein,
Erwin und Helmut Kremers, Zobel, Assauer,
Krauthausen, Doctor Kunter, Wittkamp und Beer,
Fichtel, Flohr, Breitner, Budde und Savkovic,
Hoffmann, Lútkebohmert, Kostedde, Rupp und Hosic,
Brenninger, Blau und Handschuh, Köppel und Scheer,
Vogt, Pröpper, Schwarzenbeck, Cullmann, Sziedat,
Deterding, Brück, Nickel und Overath,
Netzer und Heynckes, Kohle, Walitza,
Dürnberger, Löhr, Wolter, Konopka,
Maier, Roth, Jensen, Jung, Diehl und Hansen,
Danner, Schulz, Bonhof, Kulik und Jansen

* sic

Focquenbroch. Ein böser Bub aus dem 17. Jahrhundert, oder Fumus Gloria Mundi

     Willem Godschalck van Fockenbroch  1640-1670 Dichter sind Außenseiter. In diesem Blog haben wir sie kennengelernt: Piet Paaltjens , de ...