Mittwoch, 28. Oktober 2020

Nijhoff: Das Lied der törichten Bienen.

 



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Das Lied der törichten Bienen ist ein Klassiker der niederländischen Poesie. Die Sprache ist manchmal exaltiert, aber bleibt in der Nähe der Umgangssprache. Das Gedicht ist dermaßen mit Bildern, Metaphern und Assoziationen aufgeladen, dass es viele Generationen Niederlandisten in Lohn und Brot gehalten hat. Das Gleichnis der Bienen geht sowieso zurück bis auf die Antike, wie das des Dichters, der bis zur Selbstvernichtung das Höhere anstrebt. Das Reimschema, eine Verkettung a-b-aa, b-c-bb, c-d-cc , usw., wie aneinander geschaltete Glieder einer Kette erinnert an die "Scala Naturae", "die große Stufenleiter der Natur". Aufstieg und Fall des Ikaros! Zu dicht an die Sonne geraten! Der fallende Schnee, der ewige Kreislauf der Natur, des Weltalls meinetwegen...

(Andere Gedichte Nijhoffs in diesem Blog: Awater, Het Uur U, De Moeder de Vrouw)


                  Martinus Nijhoff  (1894-1953) 
                  
1925
                                  
                                     Das Lied der törichten Bienen                             


Ein Duft von höhrem Seim
verbitterte die Blumen,
ein Duft von höhrem Seim
trieb uns aus unsrem Heim.

Der Duft, und leises Summen,
im Himmelblau gefroren,
der Duft, und leises Summen,
ein stetig früh Verstummen

riet uns, Gedankenlosen,
die Gärten aufzugeben,
rief uns, Bedenkenlosen,
zu rätselhaften Rosen, 

weit weg von Volk und Leben,
auf Abenteuer aus,
weit weg von Volk und Leben,
jauchzend hinauf zu schweben.

Niemand stellt von Natur aus
sich seinem Trieb entgegen,
niemand hält von Natur aus
leibhaft den eignen Tod aus.

Stets heftiger erlegen
und strahlender erleuchtet,
stets heftiger erlegen
dem Zeichen zu begegnen,

stiegen wir, entfleuchend,
entführt, verklärt, entdorben,
stiegen wir, entfleuchend,
als Glitzerungen leuchtend -

Es schneit, wir sind gestorben,
heimwärts hinab gerieselt -
es schneit, wir sind gestorben.
Es schneit auf unsrem Korbe.

Übersetzung Jaap Hoepelman 
Oktober/November 2020

Donnerstag, 1. Oktober 2020

Slauerhoff: Der Entdecker

17 beste afbeeldingen over Slauerhoff J.J. op Pinterest ...

Tijd heeft geen vat gekregen op taal Slauerhoff | De ...

Jan Jacob Slauerhoff  (1898-1936)

                                                                                        


Slauerhoff war einer der wichtigsten Dichter, Novellisten und Romanciers in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Als Schiffsarzt fuhr er auf Reisen nach niederländisch Indien, auf der Japan-China-Linie, auf der Holland-Westafrika Linie und auf dem königlich-holländischen Lloyd nach Süd-Amerika. 1934 eröffnete er eine ärztliche Praxis in Tanger, in der Hoffnung, dass der Verbleib in Nord-Afrika seiner schwachen Gesundheit gut tun würde. Es half nichts, 1936 zog er wieder in die Niederlande, wo er wenige Monate später in einem Pflegeheim verstarb.

Slauerhoff wird beschrieben als Poète Maudit, verlassen, nirgends zuhause, zutiefst pessimistisch, von allen ungeliebt, im Streit mit allen, insbesondere den Kollegen-Schriftstellern. Ein schwieriger Mensch, aber der Kapitän eines der Schiffe auf denen er fuhr nannte ihn den besten Kumpel, den ein Seemann haben könnte; "der Schwarze Chor", die Heizer, nannten ihn die beste Pille mit der sie je gefahren wären.

Slauerhoffs Werk umfasst Romane, Gedichte, Geschichten und Übersetzungen und wird auch heute noch gelesen.
Cees Nooteboom hat Slauerhoff "einen der großen Reisenden der Niederländischen Literatur" genannt. Ununterbrochen umherziehend empfand Slauerhoff eine enge Verwandtschaft mit dem portugiesischen Dichter Camões, die Hauptfigur seines Romans "Het verboden Rijk" ("Das Verbotene Reich"). 
Slauerhoff hat verschiedene Gedichte mit "portugiesischen Motiven" geschrieben, einige davon mit portugiesischen Titeln, wie AngústiaFadoO engeitadoSaudadeVida triste.

"Der Entdecker" erinnert an MagellanCamões, Columbus und andere Großen, oder, wie man es betrachtet, Verfluchten. Es enthält zudem Motive aus dem "Fliegenden Holländer", auch der ein gänzlich Verdammter. Den Holländer in diesem Gedicht aber kann nicht einmal die innige, fromme Liebe einer Frau vor dem ewigen Herumirren retten, bis zu der Welten Ende. Dafür ist es romantisch ohne Ende...

Der Entdecker

Die Bequemen forderten mich auf
Zu fahren. Ihnen hab' ich, pfändend meine Knochen
Fabelhafte Reichtümer, Schätze zuhauf
Wegen des Schiffes dreist versprochen 
                                                                                                           
Und endlich triumphierend heimgebracht.
Bis zur Kante war das Schiff beladen,
Freilich, verreckt fast alle Kameraden, 
Doch jede Hafenstadt trug Flaggenpracht.

Dann musst' ich knien vor dem goldnen Thron.
Der König hob den Orden hoch, um mir ihn
Huldvoll umzulegen, den ich in wildem Hohn
Entriss ihm und zuwarf einem Paladin.

Eine Frau noch legte innig fromm die Arme um mich,
In ihren grauen Augen hab' meinen Frieden ich erkannt,
Ich sank - doch mich verzehrte mehr noch leidenschaftlich
Das Feuer, das mich forttreibt ohne Ruhe, fort vom Land.         
                                                   
Ich hastete zurück an Bord,
Einer Entdeckung sicher, vollkommen unbekannt,
Doch unaufhaltsam trieb's mich fort
Zu Wasserwüsten, Küsten steil wie eine Wand.

Niemals gestehe ich den Irrtum, meinen Wahn.
Vor dieser blinden Mauer werd' ich kreuzen
Bis zu der Welten Ende auf diesem morschen Kahn,
Darauf drei kahle Masten: Galgen? Kreuze?

De ontdekker
in "Eldorado" 1927


Übersetzung Jaap Hoepelman Oktober 2018


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