Willem Godschalck van Fockenbroch
1640-1670
Dichter sind Außenseiter. In diesem Blog haben wir sie kennengelernt: Piet Paaltjens, de Schoolmeester, van Schagen, Ashetu, Achterberg, Slauerhoff, Komrij,...die Liste kann mühelos fortgesetzt werden. Über Willem Godschalck van Fockenbroch ist wenig bekannt, aber er trieb das Außenseitertum sehr weit. Sein mageres Gehalt als Armenarzt reichte nicht zum Leben, dazu litt er heftig unter Liebeskummer (darin, allerdings, war er keine Ausnahme). Um seinen Schwermut zu vertreiben rauchte er Pfeife. Er war richtig süchtig. Ob er, als Amsterdamer, die Pfeife nur mit Tabak stopfte ist mir leider nicht bekannt. Sein Lebensmotto passt zur seiner Sucht und zu seiner Stimmung: "Fumus Gloria Mundi" - "Der Welten Glanz ist nichts als Rauch". Zu seiner Melancholie passte das Genre der Burleske, das sich gerne über Feierliches lustig macht, wie Focquenbroch sich über seine vergeblich Angebeteten und über sich selbst traurig-lustig machte. So verknüpfte er gerne das petrarkische Sonett, in dem klassisch-erhaben unerreichbare Schönheit bejammert wird mit unverschnitten Erotischem, Unanständigem und Fäkalischem, was ihm bis in unsere Zeit übel genommen wurde:
"Seine Arbeiten sind so schmierig und platt, wie sie in unserer Literatur selten Vergleichbares finden...er suhlt sich in Wolllust und Schmutz wie ein Schwein im Schlamm", entrüstete sich der Literaturhistoriker Kalff noch Anfang des 20. Jahrhunderts.
Focquenbroch hatte also einiges mit dem Spott der Dichter der Romantik gemein und er wird heute, wo der Anstand andere Formen angenommen hat, zunehmend geschätzt.
Durch Geldmangel und Liebeskummer getrieben, musterte Focquenbroch 1668 an bei der West-Indischen Companie (WIC) als "Fiscaal", eine Art Zollbeamter.
Die WIC hatte das Alleinrecht für die Niederlande auf die Ausfuhren aus der Elfenbein-, der Gold- , und der Sklavenküste. Die Handelsware entsprach im Wesentlichen den Namen der Küsten.
Der "Fiscaal" hatte als eine seiner Aufgaben die Bekämpfung der Schmuggler, gegen Teilhabe an der beschlagnahmten Schmuggelware. Focquenbrochs Standort war Elmina an der West-Afrikanischen Küste, der wichtigste niederländische Stützpunkt dort, aber auch andere Mächte hatten sich in West-Afrika festgekrallt, darunter Frankreich, England, Dänemark, Schweden und Brandenburg.
Elmina wurde als Hölle auf Erden beschrieben, die Überlebensdauer der Holländer wird mit 60 Wochen angegeben.
Aus Elmina schickte Focquenbroch seine Gedichte dem Freund Ulaeus zu, der sie unter dem Titel " Thalia of Geurige Sang-Goddin" (1668, 1669) und posthum als "Afrikaense Thalia" veröffentlichte.
Der Titel ist ein gutes Beispiel für Focks (so nannte er sich oft) burlesken Humor: Thalia ist die Muse der komischen Dichtung, aber "geurig" bedeutete im 17. Jahrhundert nicht nur "wohlriechend" und "verspielt", sondern auch "anrüchig".
Focquenbroch starb 1670 mit 30 Jahren, vermutlich an Gelbfieber.
Fort Elmina, 17. Jahrhundert.
Focquenbrochs Motto passt in gewissem Sinne auch zur WIC. 1792 ging die Kompanie pleite und wurde aufgelöst. 1821 wurden die meisten Archivalien einem Altpapierhändler verkauft (vielleicht aus Scham?) während die übriggebliebenen während eines Feuers im Marinedepartement in Rauch aufgingen (1844). Somit blieb von Fock außer einer Reihe von Gedichten und einiger Komödien fast nichts übrig. Eine ausgeklopfte Pfeife und etwas Rauch.
Sonett
Wie könnte ich, o schöne Klorimene, dir
gefallen, ich, der ich als Mensch geboren
und du, so scheint's, hast einen dir erkoren,
der jetzt dein Herz hat, einen wie ein Tier.
Ach, jetzt versteh' ich: nur mit einem Biest
das weibliche Geschlecht zur Liebe ist bereit.
Herr Jupiter begriff es, als vor langer Zeit
er öfters göttlich aufs Gesicht gefallen ist,
weswegen endlich er, zum Besseren belehrt,
für Leda hat den Schwan herausgekehrt
und Frau Europa hat entführt als Stier.
Es kann also noch Mensch noch Gott gewinnen:
Wer eine Liebschaft will mit einer Frau beginnen,
muss mehr nicht sein, als nur ein Tier.
Übersetzung Jaap Hoepelman, Dez. 2021
Das obige Sonett kam noch ziemlich gesittet daher, aber Fock konnte auch anders, z.B. um sich an einem Nebenbuhler zu rächen, zur ewigen Entrüstung der Sittenmeister:
Grabschrift
Hier liegt ein feiner Pinkel, der wohl daran
verstarb, dass er mit seinem Ballermann
aus Tollerei, aus Zeitvertreib,
gespielt hat auf dem Nachbarinnenleib.
Wo er jetzt ist? Ich kann nur raten,
ich glaube nach wie vor jedoch:
Todsicher wird er in den Himmel nicht geraten,
wenn er den Eingang sucht durch dieses Loch.
Aus: Tweede Deel Van Thalia, of Geurige Zang-Goddin (1668)
Übersetzung Jaap Hoepelman, Dez. 2021
"er suhlt sich in Wolllust und Schmutz, wie ein Schwein im Schlamm" meinte der gute Kalff und trotz neuerlicher Wertschätzung bleibt Focquenbrochs Ruf ziemlich ruiniert. Weitere Beispiele seiner Schweinereien können uns also nicht genieren:
Auf die schwarzen Zähne des
Fräulein N.N.
Dein Mund, Gesims aus angerauchten Zähnen,
Zeigt deutlich dem, der was davon versteht:
Man braucht das heiße Feuer deines Ofens nicht erwähnen,
von dem der schwarze Rauch bis hoch ans Kauwerk geht.
(uit "Alle de Werken van Willem Godschalck van Focquenbroch")
Übersetzung Jaap Hoepelman Dez. 2021
Eranemite (aus der Afrikaense Thalia)