Dienstag, 14. April 2020

Die Pest, Corona und Revius




Jacobus Revius (1586 - 1658)


In der sechsten Plage Ägyptens werfen Moses und Aaron Asche in die Luft, woraufhin Menschen und Tiere mit den abscheulichsten Beulen überdeckt werden. Beulen- und Lungenpest traten bis in die Neuzeit immer wieder auf und man suchte verzweifelt aber ohnmächtig nach Erklärungen. Der calvinistische Prädikant Jacob Revius konnte sich darauf, dass der gute Gott die Seuche auf uns herabsendet, nur diesen einen Reim machen: Gott sendet die Pest nicht als Strafe, sondern als strenge Mahnung, damit wir den Weg der Sünde endlich verlassen.
Die Grenzen des Machbaren haben sich seit dem 17. Jahrhundert ziemlich verschoben, aber wenn sie dann doch erreicht werden, wie in der heutigen Corona-Pandemie, wird das von vielen als Mahnung und als Aufruf zur Besinnung aufgefasst. Es ist vielleicht nicht das verkehrteste.

Jacobus Revius

Aus: Over-Ysselsche sangen en dichten, 1630.


DIE PEST

Weil unsre Sünden bis zum hohen Himmel ragen
Sandte uns Gott herab die Vielfalt seiner Plagen.
Doch Krieg und Hungersnot alleine reichen nicht,
Es kommt die Pest, und zeigt ihr schreckliches Gesicht.
Die Backen ausgehöhlt, vor Hunger ausgezehrt,
Die Nase lang und spitz, von Rotz und Blut versehrt,
Die Augen aufgesperrt, ein gelber Zahn noch steckt,
Die Zunge aufgequollen, von  Auswurf überdeckt,
Der Brustkorb röchelt und erstickt beinah im Brodem,
Die Lunge pfeift und seufzt und keucht und schnappt nach Odem,
Das Haupt von vorn nach hinten auf den Schultern taumelt,
Der Hals stinkt wie die Leiche, die am Galgen baumelt,
Das Herz verzehrt, verglüht durch Feuerbrände,
Doch in der Eiseskälte frieren Füß' und Hände,
Die Haut ist noch und noch blaugrau und schwarz gefleckt,
Von fahlen Pusteln, harten Beulen überdeckt.
Die Peitsche links, die Fackel in der rechten Hand,
Ihr folgen Brand und Fieber, nah mit ihr verwandt.
Die Funken, welche ständig sie verliert im Gehen,
Entzünden Viertel, bleiben bei der Stadt nicht stehen,
Bis nicht im ganzen Land ein Flammenmeer entsteht,
Bis nicht der zarten Jugend gar das Herz vergeht.
Ich kenn', ich kenn' dich wohl, du ungeheurer Graus,
Du hast bei uns genächtigt, doch dein Griff blieb aus,
Die weitaus stärk're Hand griff deine Hände fest,
Die anderes nicht will, wenn sie dich wüten lässt,
Als unser höchstes Gut und Seines Namens Huld.
Wir fallen ihm zu Fuß, gestehend uns're Schuld.
Wir trauen seiner Güte, uns selbst misstrauend sehr,
Denn fürchtend uns're Sünden, fürchten wir Dich nicht mehr.


Pest

Übersetzung Jaap Hoepelman April 2020


Pieter Brueghel llamado el viejo - Imágenes - Taringa!

Detail aus Triumph des Todes, Pieter Bruegel de Oude

Sonntag, 12. April 2020

Guido Gezelle. Priester und Erneuerer der flämischen Dichtung.

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Guido Gezelle 1830 - 1899

Guido Gezelle wurde in der west-flämischen Stadt Brügge geboren. Brügge war einst ein Zentrum der Kultur, eine der reichsten und mächtigsten Städte Europas. Zu Gezelles Zeiten war die Stadt aber völlig heruntergekommen. 


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Flandern, nicht Holland, war jahrhundertelang ein Zentrum der Kultur im nord-westlichen Europa. Im 19. Jahrhundert war es aber zum Armenhaus  geworden, in verschiedener Hinsicht vergleichbar mit Irland in der gleichen Periode:
Kulturell und sprachlich - Die flämische Sprache wurde mit Verachtung betrachtet als ein Bauernjargon. Jeder Flame, der in Belgien etwas bedeuten wollte, sagte sich so schnell wie möglich vom Flämischen los. In der ersten Hälfte des Jahrhunderts hatte nicht mehr als 9% der flämischen Bevölkerung die Grundschule besucht. Es gab, nach der Trennung von den südlichen und den nördlichen Niederlanden, in Flandern schlicht keine Hochsprache mehr, in der eine Kultur sich hätte weiter entwickeln können. Dazu kam, dass die südlichen Eliten nach dem Fall Antwerpens (1585) in die nördlichen Niederlande geflüchtet waren. Man muss Gezelles Leistung gegen diesen Hintergrund beurteilen. Zu seiner Zeit bestand Flämisch aus einer Ansammlung örtlicher Dialekte, nur verstanden von einer analphabeten Unterklasse, die dafür die offizielle französische Hochsprache nicht verstand.

Wirtschaftlich - Wallonien war nach England das zweite Zentrum der industriellen Revolution. In Flandern sah es anders aus. Die Textilindustrie, wofür Flandern berühmt gewesen war, 
war durch die Einführung der neuen Maschinen nicht mehr konkurrenzfähig. Neue Maschinen gab es in Flandern nicht. Es gab sozusagen nichts, außer Landwirtschaft. Die Schließung der Häfen von Antwerpen und Gent durch die nördlichen Niederlande 1585-1795, trug dazu das Ihrige bei (praktischerweise wurde dadurch eine lästige Konkurrenz ausgeschaltet). Hinzu kamen die Kartoffelkrankheit und verheerende Typhus- und Cholera-Epidemien in den vierziger Jahren.

Religiös - Die südlichen Niederlande waren katholisch geblieben, die nördlichen waren in der Hauptsache calvinistisch geworden. In beiden Lagern fehlte es, gelinde gesagt, an Fingerspitzengefühl. Nach der napoleonischen Zeit waren zwar die beiden Niederlande wiedervereint worden. Die Gegensätze konnten aber nicht mehr überbrückt werden und nach einem sinnlosen, kurzen Krieg gingen beide Teile in zwei neugegründete Staaten über.

Es war aber nicht so, dass die Verachtung und Marginalisierung der flämischen Bevölkerung keine Ressentiments hervorrief, im Gegenteil. Es war in dieser Situation, dass Gezelle eine Sprache fand, die eine neue Dichtung und ein neues Selbstwertgefühl ermöglichte. 

Es hat lange gedauert, bis Gezelle Anerkennung fand. Seine Sprache, eine selbst geschaffene Mischung aus west-flämischen Mundarten, seine trügerisch einfachen Bilder, seine Experimente mit Klang, Reim und Rhythmus, seine ekstatischen, fast pantheistischen Naturbilder wurden nicht mit Wohlwollen aufgenommen. Dazu kamen seine publizistischen Aktivitäten als Befürworter eines anti-liberalen Katholizismus, die in liberalen Kreisen nicht gut ankamen.
Gezelles journalistische Tätigkeiten brachten ihn in finanzielle Schwierigkeiten und sein Umgang mit den Priester-Zöglingen seiner Poetik-Seminare wurde misstrauisch beäugt. 
Zu wichtigen Stellungen in der Kirche hat er es nicht gebracht, er wurde häufig versetzt, seine Schüler aber trugen ihn auf Händen.
Er war vielseitig begabt: Übersetzer, Kenner des Englischen, Deutschen, Französischen, Italienischen, Spanischen und Griechischen - neben, selbstverständlich, dem Latein und dem Flämischen bzw. Niederländischen. Als Sprachgelehrter sammelte er einen über 200.000 Einträge umfassenden Wortschatz der südlichen Dialekte, welcher später aufgenommen wurde in das Große Wörterbuch der Niederländischen Sprache. 

Von den Fremdsprachen stand Englisch ihm am nächsten. Flandern hat von jeher enge Beziehungen zu England und  Gezelle war ein Befürworter des "Oxford Movement", das einen Rückkehr Englands zur katholischen Kirche anstrebte. Sein innigster, aber nie realisierter Wunsch, war der nach einer Missionarstätigkeit in England. Nach einigen teilweise erniedrigende Versetzungen, wurden Gezelles Verdiensten gegen Ende seines Lebens allmählich anerkannt. 
Er starb 1899 als Direktor des englischen Klosters in Brügge.  

Gezelles Konservatismus und seine Religiosität werden manchmal verglichen mit denen seines Zeitgenossen, des britischen Jesuiten Gerard Manley Hopkins, auch dieser ein großer Erneuerer der Dichtkunst. Die Überwältigung durch das unbegreiflich Göttliche, die wir in Hopkins "Windhover" finden, klingt auch durch im Kurzgedicht "Weißt Du" auf dieser Seite, wie auch im "Schreiberchen" (auf der nächsten Seite), das die Ehrfurcht beschreibt vor der göttlichen Allmacht in der Gestalt eines winzigen Tierchens

Gezelles Dichtung stand am Anfang der flämischen Bewegung und wirkt in der süd- und in der nordniederländischen Poesie bis heute nach.
Er wurde zum Doctor Honoris Causa der Universität Löwen, Träger des päpstlichen Ehrenabzeichens Pro Ecclesia et Pontifice und zum Ritter im Leopoldsorden ernannt.
Heute gilt Gezelle als einer der Großen der flämisch-niederländischen Dichtkunst.

Zum Schluss noch dies:
Die von mir gebrauchten Bezeichnungen "Flämisch" und "Flandern" sind eigentlich ungenau und nicht zeitgemäß. Die offizielle Sprache des nördlichen Teilstaates Belgiens ist Niederländisch. Historisch besteht "Flandern" aus West- und aus Ost-Flandern. "Flämisch" wird nur in einem Teil des nördlichen Teilstaates gesprochen und klinkt nicht nur für Niederländer, sondern z.B. auch für Brabanter und Limburger ungewohnt (mit Dank an Paul Claes).

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Weißt Du



"Numquid nosti semitas nubium?" *



Weißt Du, wo der Wind geboren,
wo des Taus Geburtsort ist?
Weißt Du kunstvoll nachzuspüren
was nahebei, was oben ist?

Weißt du, was die Sterne sind, und
was der Mond, die Sonne? Was
in den Minen, in den Bergen
liegt und was das Meer befasst?

Weißt Du die Antwort auf die Fragen
aller Art, die man Dir stellen kann?
Dann antworte und will mir sagen:
Dichten...was ist Dichten dann?



Hiob 37:16 *

"Numquid nosti semitas nubium magnas, et perfectas scientias?"
"Kennst Du etwa die Wege der mächtigen Wolken und hast das vollkommene Wissen?"

(1860)



aus: Volledige dichtwerken, Standaard, 1971. 





Übersetzung Jaap Hoepelman Februar 2019

Gezelle und das Schreiberchen

Krętakowate (Gyrinidae) - WLIN
Das Schreiberchen
gyrinus natator



"Das Schreiberchen" ist eines der beliebtesten Gedichte Gezelles. In ihm beschreibt er, wie die überwältigende Allmacht Gottes sich offenbart in der nie ablassenden Schreibarbeit eines kleinen Käfers, den er anspricht, wie einst Franziskus den Vögeln predigte.
Eine Vielzahl von Diminutiven wiederspiegelt die Kleinheit des Tierchens, das Versmaß dessen ruckartige Bewegungen auf der Wasseroberfläche, während die scheinbare Naivität des Gedichts zur scheinbaren Unscheinbarkeit des Tierchens passt. Der niedrige Priester-Dichter in seiner schwarzen Kutte, auch er nur ein "Schreiberchen", fühlt sich wohl verwandt mit dem kleinen, unermüdlichen Kaputzenträger und auch er hat nur eines im Sinn: Das Schreiben des heiligen Namens.
Paul Claes gab mir freundlicherweise Zustimmung seine meisterhafte Übersetzung in dieses Blog aufzunehmen.

Guido Gezelle




DAS SCHREIBERCHEN


O kringelndes winkelndes Wasserding,
mit schwarzem Kapuzchen versehn,
ich sehe dein schreibendes Köpfchen flink
so gern auf dem Wässerchen gehn!
Du rührst und du regst dich und läufst so schnell,
doch zeigst weder Arm noch Bein;
du wendest und weißt deinen Weg so hell,
doch zeigst mir kein Auge, o nein.
Was warst oder bist, oder wirst du noch sein?
Erkläre und sag es mir, du!
Was bist du, o blinkendes Knöpfchen fein,
das schreibt und das schreibt ohne Ruh?
Du läufst auf dem spiegelnden Wasser klar,
dem Wasser, das sich nicht mehr rührt,
als wär’es ein ebener Windhauch sogar,
der über das Wasser dich führt’.
O Schreiberchen, Schreiberchen, sagt mir dann, – 
ihr seid ja zu zwanzig und mehr,
und gibt es denn keines, das sagen mir kann:  – 
Was schreibt ihr, was schreibt ihr so sehr?
Ihr schreibt, was so rasch auf dem Wasser vergeht,
ihr schreibt, es ist weg und ist fort;
kein einziger Mensch, der es weiß und errät:
Ach Schreiberchen, sagt doch ein Wort!
Sind’s Fischlein, von denen ihr schreiben müsst,
sind’s Kräutlein, von denen ihr schreibt?
Sind’s Kieselein, Blättchen und Blümlein so süß,
das Wasser, auf dem ihr treibt,
das Vöglein, das ziepend und klagend rief,
ist’s etwa das Himmlische Zelt,  
das unter und über dir schimmert so tief,
o Schreiberchen, bist du es selbst?
Das kringelnde winkelnde Wasserding,
mit schwarzem Kapuzchen versehn,
es stellte und spitzte die Öhrchen flink,
und blieb da ein Augenblick stehn:
„Wir schreiben“, so sprach es, „hier kreisend ab,
das, was unser Meister vorher 
als Muster uns allen zu schreiben gab,
ein einziges Wort und nicht mehr.
Wir schreiben, und kannst du das Wörtchen doch
nicht lesen, und bist nur ein Klotz?
Wir schreiben und schreiben und schreiben noch
den Namen des heiligen Herrgotts!“


Übersetzung Paul Claes, April 2020


Aus Dichtoefeningen 1858

Las brillantes estelas de los escribanos del agua. Gyrinus ...
watertorren - hydrophilidae   
Gyrinus natator. Escarabello muiñeiro. Escribano. A vida ...

Freitag, 10. April 2020

Guido Gezelle. Dichterliebe.

Guido Gezelle

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       1830-1899

Eugeen van Oyen (1840 - 1926) war Sohn einer französischsprachigen liberalen Arzt-Familie. Im Seminarium zu Roeselare  gehörte er zu Gezelles Lieblingsschülern. Beide gingen eine intensive Beziehung ein. Gezelle diskutierte und übte mit dem Schüler die verschiedenen Aspekte der Poetik. Vater van Oye wollte Eugeen dem Einfluss Gezelles entziehen und lies den Sohn in Torhout die Schule beenden. Eines Tages, am Anfang des neuen Schuljahrs in Roeselare brachte van Oye eine Rose in Gezelles Lehrerzimmer und schrieb dazu etwas später folgenden kurzen Brief:

"Ich habe Ihnen diese Rose geschenkt, um die Wahrheit zu sagen, als letzte Rose dieses Sommers.Dies umfasst alles: Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, was in unseren Seelen ist. Ich habe sie, zweitens, geschenkt damit ich einige poetischen Gedanken in Ihnen erwecken möge und in der Hoffnung diese vielleicht als Dichterblume zurück empfangen zu dürfen"

(Übersetzt nach Marcel Vanslembrouck in "Gezelle en Torhout" , Verlag Davidsfonds - Marnixring Torhout . Jaap Hoepelman)


Van Oye wurde selber Arzt, Dichter und Bühnenautor.


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Gezelle folgte van Oyes Wunsch. Davon zeugt das folgende berühmt gewordene Gedicht:

1858

Der Abend und die Rose

Hab' manche, manche Stund' bei Dir
verbracht und sie genossen,
und nie hat mich die Stund' mit Dir
ein einz'ges Mal verdrossen.
Hab' manche, manche Blume Dir
gelesen und geschenkt,
wie eine Biene, ich, mit Dir, mit Dir,
mit Seim wurde getränkt;
doch war die Stunde nie so lieb mit Dir,
so lang' sie dauern sollte,
doch war die Stunde nie so trüb' mit Dir,
als gehen ich nicht wollte,
als jene Stund', an der ich nah bei Dir,
den Abend, hingesessen bin,
ich sagen hört' und sagte Dir
was ist im Herzen innen drin.
Noch keine Blume war so schön, von Dir
gesucht, gepflückt, gelesen,
als die, den Abend...schien auf Dir,
von mir geschenkt gewesen!
Obwohl, sowohl bei mir als Dir,
- wer wird die Wund' genesen? -
die Stund' bei mir, die Stund' bei Dir
ist Stund' nicht lang' gewesen;
obwohl bei mir, obwohl bei Dir,
wenn lieb und handverlesen,
die Rose, auch die Ros' von Dir,
ist Ros' nicht lang gewesen,
doch lange hegt, dies sag' ich Dir,
egal was bringt das Los,
mein Herz drei teure Bilder: Von Dir,
dem Abend  - und - der Ros'!

Dien avond en die rooze

Übersetzung Jaap Hoepelman, Februar 2019.

Guido Gezelle auf eine leichte Note: Das Lied vom Bauer Naas

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Guido Gezelle
1830-1899


Das Lied vom Bauer Naas


Wer hat noch nicht das Lied gehört,
das Lied von Naas dem Bauer,
wohl war, er war kein Löwenherz,
dafür ein ziemlich schlauer.

Verkauft hat Bauer Naas gehabt
zwei Rinder in der Stadt
und als es dann nach Hause ging 
hatte er Franken satt.

Naas war zwar nur ein Bäuerlein,
dennoch ein schlauer Kopf,
er hat gekauft 'nen Siebenschuss,
den sieben Mal gestopft.

Also ging Naas, mit leichtem Tritt
und mit dem Beutel schwer;
und sprach: "Och, dass ich nur zu Haus'
in meinem Bette wär!"

Doch was hört plötzlich Bauer Naas,
grad hinter einem Strunken?
Etwas, das sich bewegt und regt:
Naas wäre schier versunken!

Und noch bevor er Luft bekam,
vor Schreck stockt ihm der Odem,
da packen Naas zwei Fäuste fest,
schon lag er auf dem Boden.

Er sah kaum und er hörte kaum,
die Sinne ihn verließen,
er sah nur einen Ballermann,
und hörte laut: "...Ich schieße!"

"Ich schieße, wenn du nicht sofort
den Zaster mir wirst geben;
wenn du nur einen Finger rührst, du Narr,
ist's aus mit deinem Leben!'

Naas betete das Kreuzgebet
fünf, sechs Mal alle Tage,
damit er lange lebe. Eins war klar:
Er war in böser Lage.

"Was wird sie sagen," jammert Naas,
"wann ich zuhause anklopf'?
Versoffen hat er's wieder mal!
der liederliche Suffkopf!"

"Hör' zu, Freund, eine Bitte nur,
erwirb auch meinen Dank,
schieß eine Kugel durch den Hut
erspar mir Frauenzank!

Ich sag' wenn ich zu Hause bin
man raubte den Gewinn,
es fehlte wenig, in der Stirn
ein Schuss wär' mitten drin!"

Der Dieb, dem Pinke lieber war
als Bauern Naasens Blut,
schoss auf der Stelle durch und durch
ein Loch in Naasens Hut

"Hab Dank!" sagt Naas, und nimmt den Schoß:
"noch eine durch die Jack'!"
Der Dieb legt an und Bauer Naas hält
eifrig hoch den Frack.

"Noch eine durch die Hos'," sagt Naas,
"dann denkt mein Weib, fürwahr,
dass durch ein Wunder ich entkam
aus größter Leibsgefahr."

Der Räuber sagt "Jetzt reicht es wohl,
gib mir sofort den Lohn:
hab' weder Zeit noch Kugeln mehr..."
"Ich schon," sagt Naas, "ich schon!"

Den Siebenschuss holt Naas hervor:
"Das könnte dir gefallen,
wenn du nicht gleich das Weite suchst,
dann, Galgenaas, wird's knallen!"

"Ich schieße, wenn du näher kommst,
dir deinen Kopf zu Brei,
und, wenn du Naas berauben willst,
hab' den Verstand dabei!"

Und laufen das der Räuber tat,
die Beine aus dem Leib,
sodass es unbeschreiblich ist,
so schnell ich dies auch schreib!

Hier hör ich auf. Ein andrer schreib'
ein neues Lied, den Sang von Naas dem Bauer;
wohl wahr, er war kein Löwenherz,
dafür ein ziemlich schlauer!


Oktober 1868

Gezelles Poezie wird gerne auf Musik gesetzt, hier das Lied von Naas
Übersetzung Jaap Hoepelman Februar 2019

Focquenbroch. Ein böser Bub aus dem 17. Jahrhundert, oder Fumus Gloria Mundi

     Willem Godschalck van Fockenbroch  1640-1670 Dichter sind Außenseiter. In diesem Blog haben wir sie kennengelernt: Piet Paaltjens , de ...