Samstag, 17. August 2019

Zurück zu Paaltjens, Sempre, die türkische Trommel und Probleme der Übersetzung.

Piet Paaltjens - Literatuurmuseum




Piet Paaltjens
(François Haverschmidt, auch HaverSchmidt
1835 - 1894)

Hör ich auf Sempre ein Waldhorn
Oder auch türkische Trommel -
Das kann mich zu Tränen bewegen
Und - ich weiß selbst nicht weswegen.

Fragt mich ein aktives Mitglied:
Was ist an der türkischen Trommel
Oder dem Waldhorn dir so gelegen? -
Dann weiß ich selbst nicht weswegen

Ist's weil in besseren Tagen
Ein Freund die türkische Trommel
nicht ungeschickt konnte regen?
Ach - ich weiß selbst nicht weswegen.


Aus: Immortellen, 1850-1852.

Übersetzung Jaap Hoepelman
August 2019

Romantiek (1800-1900) – Leeskunst

Das kleine Gedicht ist eines meiner Lieblingsgedichte der Romantik. Die geheimnisvolle erste Zeile! Was bedeutet "Sempre"* ? Was hat das Waldhorn mit diesem unbekannten Wort zu tun? Wieso "auf Sempre"? Das Waldhorn ist ein schwieriges Instrument, das Geschick erfordert und romantische Gefühle hervorruft. Aber die türkische Trommel? Und wieso verschwindet das Waldhorn in der dritten Strophe und bleibt nur die türkische Trommel übrig?
Das Gedicht gibt also Rätsel auf, es ist ironisch, es übertreibt, es parodiert die gängigen tränenreichen Genres und es lässt Nicht-Zusammenpassendes unvermittelt auf einander stoßen. Es ist das Musterbeispiel eines romantischen traurigen Verses, der zur gleichen Zeit seine eigene Parodie ist. Man kann aber nicht sagen, dass der Dichter sich anstellte und nur posierte: Als die unbeschwerte (nun ja) Studentenzeit vorbei war und HaverSchmidt seinem Ruf als Pfarrer folgen musste, hat seine Trauer ihn nach und nach eingeholt und er hat sich umgebracht.

Ich habe hier schon einige von Paaltjens Gedichten übersetzt und hatte schon lange den Wunsch, mich auch an diesem in den Niederlanden berühmten Gedicht zu versuchen. Es war nicht einfach. Ich muss gestehen, dass ich als Übersetzer eigentlich versagt habe: Die niederländische Fassung enthält nur ein einziges, sich wiederholendes Reim in den Zeilen 2 und 4:

"... Turkse Trom"
-             ...
"...ik zelf niet waarom"

Es gelang mir einfach nicht, dazu die passenden deutschen Reime zu finden. Die "türkische Trommel" wollte sich nun mal nicht mit "warum" paaren, und widersetzte sich allen Kniffen. Deswegen habe ich den Reim auf die Zeilen 3 und 4 gelegt. Mit schlechtem Gewissen. Etwas ganz Wichtiges im Rhythmus und Klang habe ich nicht hinbekommen: " trom, waarom/trom, waarom/trom, waarom"....Darauf reimt sich "bom, bom, bom" (kurzes "o"), d.h. "bumm, bumm, bumm" - genau wie der dumpfe Klang der türkischen Trommel, vielleicht in einem Trauermarsch. Genau wie in einem Trauermarsch erfolgen die Schläge im gemessenen langsamen Rhythmus, d.h. mit einer Zeile dazwischen, nicht in zwei schnell aufeinander folgenden Reimen. Ein anderes Gedicht aus der gleichen Sammlung lässt die Vermutung zu, dass es sich hier tatsächlich um einen verstorbenen Freund handelt.
Mit meinen "e"-Reimen konnte ich diese Klangwirkung nicht erreichen. Schade, aber vielleicht bleibt trotzdem etwas übrig von der überempfindlichen Stimmung der Zeit. Tuberkulose, Cholera, Syphilis, Typhus...und Heines Buch der Lieder - für Trauer und Melancholie gab es ausreichend Grund und Vorbilder.
Für einen besseren Eindruck bringe ich hier das niederländische Original. Schwer zu verstehen ist es ja nicht.

Piet Paaltjens

Hoor ik op Sempre een waldhoorn
Of ook wel een Turkse trom,
Dan moet ik zo bitter wenen;
En - ik weet zelf niet waarom.

Vraagt een der werkende leden:
'Hoe kan een Turkse trom
Of een waldhoorn u zo roeren? -
Dan weet ik zelf niet waarom.

Is 't wijl in beetre dagen
Een vriend de Turkse trom
Niet onverdienstlijk bespeelde?-
Ach, ik weet zelf niet waarom.

Aus: Immortellen, 1850-1852.

* "Sempre" steht für für "Sempre Crescendo",
die Musikgesellschaft der Studenten in der Universitätsstadt Leiden.

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