Dienstag, 25. September 2018

M. Vasalis. Zeit.


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M. Vasalis 

(1909 - 1998)

Vasalis, Pseudonym von Margaretha Droogleever Fortuyn-Leenmans. Von Beruf Kinderpsychiaterin hat sie in ihrem Leben nur sehr wenig veröffentlicht: Drei Bündel zwischen 1940 und 1954 und noch ein viertes gegen Ende ihres Lebens. Dafür gehören diese zu den am meisten verkauften Dichtbündeln der Niederländischen Literatur und ihre Zeilen gehören zum klassischen Zitatenschatz.  Zu den großen Erneuern gehörte sie wohl nicht, dazu sind ihre Gedichte zu Regelkonform. Auch fand ihr erster kreativer Ausbruch gerade vor der Periode der "Fünfziger" statt, eine Gruppe zu der sie qua Hintergrund und Habitus nicht gehören konnte. Sie schien etwas "aus der Zeit gefallen". Dafür können ihre besten Gedichte es mit denen der Fünfziger mindestens aufnehmen. Sie wurde 1974 ausgezeichnet mit dem Constantijn Huyghenspreis und 1982 mit dem P.C. Hooftpreis für Poesie.

Zeit

Mir träumte, dass ich langsam lebte
langsamer, als das älteste Gestein.
Es war entsetzlich, es stürzte auf mich ein
und schoss hinauf, es zuckte oder bebte
was reglos scheint. Ich sah den Trieb mit dem
die Bäume sich nach oben rangen
dieweil sie heiser stockend sangen;
dieweil die Jahreszeiten flogen
schimmernd wie ein Regenbogen...

Des Meeres Tremor konnt' ich sehen, mit dem
es schwillt und hastig schwindet, wie das Zucken
eines großen Schlunds beim Schlucken
und Tag und Nacht von kurzer Dauer
aufflammen und erlöschen: wie ein Funkenschauer.
- Die Verzweiflung und Beredsamkeit
in den Gebärden aller Dinge,
die sonst starr sind und ihr Ringen,
ihren atemlosen, gnadenlosen Streit...

Wie konnt' ich das nicht früher wissen,
war es nicht klar in der Vergangenheit?
Wie tilge ich es je aus meinem Wissen?

Vasalis,
uit Parken en Woestijnen.
Uitgeverij van Oorschot 1940

Vasalis

Übersetzung Jaap Hoepelman 25.09.2018




Sonntag, 23. September 2018

Willem Elsschot. Die Klage des Alten.



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Noch eine Ballade aus den "Versen von Früher" und wieder ist das Thema die hoffnungslos gescheiterte Existenz. Wir wissen nicht, ob der Alte ein Verrückter, ein Verbrecher oder nur ein alter Idiot ist - so oder so, es ist nicht mehr gut zu machen. Und wer ist es? Der Dichter selber, oder vielleicht der Alte aus dem Gedicht "Die Ehe"? Und an wen richtet sich das Envoy? An Jesus? Einen Prinzen? Oder an uns, das "poetische Ihr"?




Willem Elsschot 

1882-1960


Die Klage des Alten

Das Altsein, ich gewöhn' micht nicht daran.
Das Lichterloh, das nicht mehr kann
köchelt tief noch in den Knochen,
und wenn es könnt', wär's ausgebrochen.

Gewiss, es tat mir durchaus Leid,
vergeudet hab' ich viel, viel Zeit 
damit, nach oben aufzuschauen,
beten zu lernen, Gottvertrauen.

Leider, es musste wohl so kommen, 
bin ich doch zu sehr verkommen,
denn Gott und Seele, diese Dinge
wovon die Menschen Psalmen singen,

Gewissen, Vaterland in Not
Der Sternenhimmel und der Tod,
es sagt mir, nein es sagt mir nichts,
mein Mühen bricht den Panzer nicht.

Wofür ich stets zu haben bin,
dass ich für jedes junge Ding,
wie sie zu hunderttausend laufen,
die Kleider mir vom Leib verkaufe,

das ganze Haus, die ganze Frau
ich tu's. Und kein Bedauern
kann in meinem Blick man lesen,
auch wenn's Verbrechen ist gewesen.

Entlang den Häusern mich verdrückend
linst man mir nach, einem Verrückten
dessen Arglist, dessen Tücken
geschrieben sind ihm auf dem Rücken.

Ich bin ein Schurke, bin ein Hund,
nicht ruhen könnt' ich in geweihtem Grund,
und Lösegelder will ich zahlen
für jedes Bündel Sonnenstrahlen:

Doch lasst mich tun mit Feuersinn,
was mir gefällt, solang ich bin
und quält uns nicht: mich armen Racker
und Satanlieb, den letzten Macker.

Rotterdam, 1910.



Übersetzung Jaap Hoepelman 23.09.2018

Dienstag, 18. September 2018

Menno Wigman. Burger King

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Menno Wigman

1966-2018

Menno Wigman war Dichter, Redakteur einer literarischen Zeitschrift, Übersetzer aus dem Deutschen und Französischen (u.a. Thomas BernhardElse Lasker-Schüler und Rainer Maria Rilke), und wurde selber ins Englische, Französische und Deutsche übersetzt (Im Sommer stinken alle Städte - Köln 2016).
Er ist ein herausragender Vertreter der neuesten Dichtergeneration und wurde mit verschiedenen literarischen Preisen ausgezeichnet. 2012 - 2014 war er Stadtdichter in Amsterdam. Traurige, unpoetische Poesie in geschliffener Umgangssprache...das wäre keine schlechte Umschreibung seiner Kunst.




Burger King

Gab es eine Zeit dass ich darüber stand,
der Mund gefüllt mit Proust und Bloem, ich sag' ja nichts,
nicht mehr. Hat's denn überhaupt noch Sinn -
denken in einer Sprache ohne Zähne?
Ich bin allein. Die Worte sind zum Teufel.

Also trotte ich im Lesesaal der Straße
und blättre so ein bisschen durch den Burger King,
einfach weil ich lebe, weil ich hoffnungslos
geschmacklos esse und mich bald von selbst verziehe.
- Wenn diese Verzweiflung das Walhall sein soll,

wenn man hier das echte Leben lesen kann,
meinetwegen, ich hab' genug gesehen. In dieser Geschichte
zahlst du mit deinem Selbst, nicht einmal traurig,
eher erstaunt dass alles niedere
und hässliche so fest und unumstößlich steht.

Menno Wigman

Burger King

Übersetzung Jaap Hoepelman 17.09.2018

Bloem (sprich Blum) ist ein bekannter niederländischer Dichter aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Ich habe versucht, einige seiner Gedichte zu übersetzen, zu finden in diesem Post:

Bloem



Sonntag, 16. September 2018

Adwaita. Liebe und Wahnsinn.




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Adwaita-dèr Mouw.


Johan Andreas dèr Mouw 
(1863-1919)

Lange prallt, ein Ball aus Klang, der Knall vom Schuss
von Wand zur Wand im Bergwald in der Runde:
Das Tier, vom falsch-unsichtbaren verwundet,
kriecht um den Rand der Höhle in den schrägen Lichtfluss;

und schmerzhaft zieht es, das Gelenk zerbrochen,
hinkend, die dünne rote Spur hinter sich her;
tief, weg vom Wald, weit weg von wo es sich ernährt
dort stirbt's im Dunkeln und verwest bis auf die Knochen.

Den, der voller Zukunft wandert in der Wildnis
junger Gefühle, trifft manchmal einer, der sich sicher ist
vom wohlgezielten Wort, dort wo es drückt:

Für's Unglück, hinterrücks gegeben,
geflüchtet in den Untergrund des Lebens
findet er nicht heraus; und wird verrückt.


In: Brahman I (1919)

 "Lang rolt"

'k Ben Brahman




Übersetzung Jaap Hoepelman 19.08.2018

Samstag, 15. September 2018

Andreus. Dem Lieben Leser.

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Hans Andreus
1926-1977


Dem lieben Leser

Wörter der Bequemlichkeit,
Wörter des rosigen Schlummers,
Die Zimmertapete aus pastellfarbenen Träumen,
das ist die Poesie, die Sie mögen.

Volierevögelchen flattern darin umher
und die Mädchen haben einen sehr süßen Hals
und der Dichter steht niemals vor Ihnen
als gekleidet im blassblauen Abendanzug
des Mondes.

Aber die Poesie, die will sagen,
dass unser aller Bruder der Mensch ist
ein elender Bruder,
eine kalte Schwester,
eine schlagende Erde -
und vielleicht auch eine ferne Sonne der Liebe,
aber diese nur zu betrachten mittels
eines schwarzen Scheibchens ins Auge gepflanzt,

diese Poesie
ist Ihnen schnell über, nicht wahr?

Und dass nur ein Kiesel
sieht, wie der Himmel sich paart mit der Erde,
das hörst du aber hörst du nicht -

und faltest die in sich verliebten Hände
und denkst ach ich, ach ja und amen.

Uit: Luisteren met het lichaam (1960)
Uitgever: De Beuk, Amsterdam


Voor de lieve lezer


Übersetzung Jaap Hoepelman 15.09.2018





Mittwoch, 12. September 2018

Elsschot. Der Buckel spricht.

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Willem Elsschot
1882 - 1960
Antwerpen

In 1934 erschien ein Bändchen "Verzen van Vroeger" - "Verse von Früher" mit 10 Gedichten die Elsschot schon in den Jahren 1910-1912 geschrieben hatte. Es dauerte aber bis 1934 bis er - nach langem Drängen von bekannten Literaten - der Veröffentlichung des Bändchens zustimmte. 6 der Gedichte waren in 1932-33 in der Zeitschrift "Forum" erschienen, der führenden Literaturzeitschrift der Zeit, die sich stark machte gegen den manchmal überkandidelten Ästhetizismus, der sich in der Nachfolge der Achtziger in der Literatur breitgemacht hatte. Elsschots unsentimentale Umgangssprache, noch dazu bereits in den Jahren 1910-12 geschrieben, passte zu der neu-sachlichen Ästhetik des "Forums". Die Zeitschrift setzte sich außerdem für ein engeres Zusammengehen der niederländischen und der flämischen Literatur ein. Der Belgier Elsschot passte also in jeder Hinsicht zur Philosophie der Redaktion. Elsschot hatte schon vorher 4 Romane geschrieben, die kaum wahrgenommen worden waren. Er hatte seine literarische Aktivitäten praktisch aufgegeben und sich seiner Arbeit als Werbemann gewidmet, als seine Gedichte erschienen und sich als großen Erfolg erwiesen. Seitdem ist Elsschot Vorbild für Generationen von Dichtern und Schrifstellern, die eher der unsentimentalen, kunstlosen, sachlichen, umgangssprachlichen Seite des Métiers zugeneigt sind. "Am Totenlager eines Kindes", "Die Ehe" und der "Brief" habe ich in diesem Blog schon übersetzt. Alle zeichnen sich aus durch den verzweifelten Versuch sich einer Lage zu widersetzen, die nicht gut zu machen ist. Der Tod eines Kindes, die Hölle einer Ehe, die vergebliche Rache. Mich erinnern alle an die Ballade des Pendus des François Villon, mit ihrem "envoy" in den Schlusszeilen:


.........
"Prince Jhesus, qui sur tous a maistrie, 
Garde qu'Enfer n'ait de nous seigneurie :
A luy n'avons que faire ne que souldre.
Hommes, icy n'a point de mocquerie;
Mais priez Dieu que tous nous vueille absouldre.."


 So auch "Der Buckel spricht", nur dass der zum Schluss Angesprochene nicht Jesus ist:


Willem Elsschot

Rotterdam 1910.


Der Buckel spricht

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Hier ist der Buckel, das Klappergestell
der Knubbelkerl, der drollige Gesell',
der Zwerg, der hochdreht das Gesicht
wenn er mit den Söhnen spricht

Der Baumstumpf mit dem schrägen Stamm,
mit obendrauf ein Riesenschwamm,
nistend dort für alle Tage,
und den kein Mensch davon kann jagen.

Er hockt dort schon solang ich denken kann
ein Teufel mir von Kind bis Mann,
der alles hat versaut, verdorben,
zu meinem Unglück hat er Ruhm erworben.

Auf der Hochzeit mit dabei
den Frack zerschnitten für das Ei,
die Braut beschämt, das Fest geklaut,
spuckt Galle auf den Strauß der Braut.

So verübte und verübt er Mord nach Mord,
wenn er nur sitzt und spricht kein Wort,
nicht sieht noch hört, macht keinen Laut,
er frißt mich ganz, mit Haar und Haut.

Ihr, denen keiner kann vergeben
was ihr verbrochen habt im Leben;
Gesindel mit dem schwärzesten Gewissen,
die weder ruhig schlaft, noch esst nur einen Bissen,

die voller Scheu im Schattenreich verkehrt,
kommt her, gebt mir was euch beschwert,
ich werd' es heben ohne Klagen,
wenn ihr für mich das Ding wollt tragen.


Übersetzung Jaap Hoepelman 11.09.2018

Donnerstag, 6. September 2018

van Eeden


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Nach der napoleonischen Zeit wurden die Südlichen, auch "Österreichischen" Niederlande dem Königreich der Niederlande zugeschlagen. Durch die zweihundertjährige Trennung waren die Unterschiede aber dermaßen gewachsen, dass ein friedliches Zusammenleben unmöglich geworden war. In August 1830 revoltierten die Belgier und ihre Unabhängigkeit wurde Dezember 1830 von den Großmächten (England, Frankreich, den deutschen Staaten) im Vertrag von London anerkannt. August 1831 versuchte König Willem I im Zehn-Tage Feldzug die Einheit wiederherzustellen,

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aber die Londoner Vertragspartner ließen die königlichen Sperenzen nicht zu, und die Kampagne ging aus wie das Hornberger Schießen. In den Niederlanden trat eine wirtschaftliche und kulturelle Malaise ein, in der in der Literatur (bis auf wenigen Ausnahmen) der Ton von den sogenannten Pfarrer-Dichter bestimmt wurde. Es war als ob ein erstickender biedermeierlicher Schleier sich über das Land gelegt hätte. Ab den sechziger und siebziger Jahren aber entstanden explosionsartig neue Bewegungen in Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst. In 1881 wurde die literarische Gesellschaft Flanor errichtet in der die neuen Strömungen in Kunst, Literatur, Musik diskutiert wurden. Vielen der Künstler die im niederländische Kulturleben eine wichtige Rolle spielen würden, trafen sich hier. Die Bewegung ist dementsprechend bekannt als die der "Achtziger". 

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Frederik van Eeden war einer von ihnen. Er war einer der Gründer der Zeitschrift De Nieuwe Gids in der die neue Bewegung ihre Ablehnung der frommen Reimemacher zum  Ausdruck brachte. Van Eeden war ein vielseitiger Mann; Dichter, Romancier, Stückeschreiber, Arzt, Psychiater, Utopist, Philosoph...
Eine seiner ersten Veröffentlichungen waren die Grassprietjes (Grashalme) unter dem Pseudonym Cornelis Paradijs, ein Bündel Satiren auf die frommen Reimler. Ich habe hier ein Fragment übersetzt:
...
Schreibt nur, O Hollands Predigtherren!
Schreibt nur, Ihr, in der Furcht des Herrn:
Schlechten Reim wurde man nie gewahr 
Unter Beffchen und Talar.

In der Lampe funzelt heilges Öl
Dichten ist Ihr Monopöl;-
Der Herr sieht zu und überwacht,
Dass Ihr gute Verse macht.

So schreibt und schreibt, Ihr Seelsathleten
Schreibt mehr, bald werdet Ihr Poeten
Segnend, segnend ruhet Gottes Hand
Auf dem Betrieb im Pfarrgewand.
...

Übersetzung Jaap Hoepelman
07.09.2018


Dank der Achtziger ist die Generation der Pfarrer-Dichter fast vollständig in der Versenkung verschwunden.


Van Eedens eigene Ansprüche gehen aus Gedichten wie diesem hervor:

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Die Wasserlilie als Mauergedicht


Frederik van Eeden
1860-1932

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Die Wasserlilie
1885

Ich hab die weiße Wasserlilie lieb
weil sie so weiß ist und so still die Krone
faltet aus im Licht.

Steigend hinauf aus dunkel-kühlem Grund
hat sie das Licht gefunden und öffnete
erfreut das goldne Herz.

Nun ruht sie sinnend auf der Wasserfläche
und wünscht nichts mehr...







Übersetzung Jaap Hoepelman
06.09.2018


Samstag, 1. September 2018

Vondel. Ein Gehstock überdauert die Zeit



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Vondel 1587 - 1679
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In 1619 fand in Den Haag ein Justizmord statt. Seit der Unabhängigkeitserklärung der Niederlande vom habsburgischen Spanien in 1581 hatten sich zwei Machtszentren herausgebildet: Die Republikaner und die Orangisten. Leiter der Orangisten war Maurits (Moritz) van Nassau, Sohn des Willem van Nassau, des ersten Leiters des Aufstandes der Niederlande. Leiter der Republikaner war Johan van Oldenbarnevelt, Landsadvokat der Provinz Holland, eine Stellung, die auf dem ersten Blick als nicht sehr wichtig erscheint, aber die, wie vergleichbare administrative Funktionen (wie Lord-Chancellor oder Partei-Sekretär) zu Macht und Einfluss führte. Maurits kümmerte sich um die militärische Seite des Aufstandes gegen Spanien, van Oldenbarnevelt um die diplomatische. Beide Männer erwiesen sich in Ihrem Bereich als äußerst fähig, aber wie nicht anders zu erwarten traten immer größere Divergenzen auf bezüglich Politik und Kriegsführung. Wie alles in dieser Zeit waren diese Uneinigkeiten aufs engste mit religiösen Positionen verbunden. Oldenbarnevelt hatte die Partei der Arminianen, der toleranten, und Maurits die der Gomaristen, der strengen Calvinisten, ergriffen. Maurits war ein pragmatischer Mann. Von ihm ist der Spruch überliefert, dass er nicht wüsste, ob die Prädestination grün sei, oder blau.  Als Heerführer wusste er aber, auf welcher Seite die stärkeren Batallionen waren. Als Oldenbarneveldt eine eigene Armee aufstellen wollte für die toleranten, "Arminianischen" Städte, erkannte Maurits die Bedrohung für die eigene Position, und zu gleicher Zeit seine Chance. Er ließ van Oldenbarnevelt verhaften und nach einem Jahr, ohne Zugang zu Dokumenten und ohne die Möglichkeit sich schriftlich zu verteidigen, wurde van Oldenbarnevelt summarisch verurteilt wegen Landesverrats und am nächsten Tag enthauptet. Der "Blutrat" war von Maurits, der Gefallen an der Politik gefunden hatte, mit Parteigängern besetzt.
Die "Arminianen" waren außer sich. Vondel aber fand einen Weg, den Protest hörbar zu machen, in einer Form, die bis heute durchklinkt, in einer seiner bekanntesten Gedichte, wie er es vorhergesagt hatte. "Het stockske van Oldenbarnevelt".



Joost van den Vondel 
1659

Oldenbarnevelts Gehstock

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Mögest du überdauern ohne Rott
O Stock und Stütze: nicht des Verrats des Vaterlandes
Sondern der Freiheit und des Vaterlandes Vater,
Den du gestützt hast auf dem grausamen Schafott;
Als er kniete vor dem blut'gen Schwert
Verurteilt wie einst Seneca,
Durch Neros Hass und ohne Gnad',
Von trauernden Rechtschaffenen verehrt.
So wirst du noch auf lange Zeit
Den Hingang dieses Helds bezeugen,
Und wie Gewalt das Recht konnt' beugen,
Zur Schmach der unterdrückten Freiheit.
Wie häufig hast du, als er steigen musste
Die hohe Trepp' zum Staatenhof hinauf, sich
Mühsam schleppend und gestützt auf dich,
Ihm beigestanden, wie ein dritter Fuß:
Als er, beschwert vom Altertum,
Krumm unter dem Gewicht der Unterlagen
Stöhnend die Last des Staates tragend
Machte nie den Rücken krumm!
Ruh' du dich aus von deiner Pflicht,
Wurde auch der alte Stock gestutzt
Durch des Blutrats bitt're Rachelust:
Du stützt und stärkst mir dies Gedicht.

Übersetzung Jaap Hoepelman 29.08.2018


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Focquenbroch. Ein böser Bub aus dem 17. Jahrhundert, oder Fumus Gloria Mundi

     Willem Godschalck van Fockenbroch  1640-1670 Dichter sind Außenseiter. In diesem Blog haben wir sie kennengelernt: Piet Paaltjens , de ...