Montag, 8. Juli 2019

Boutens. Berlin 1910.

Ähnliches Foto
P. C. Boutens
1870 -1943




Rosengarten
Berlin

1910


Ich habe etwas beinah schönes angeschaut
Hier, wo die Jagd der Oberflächlichkeit
Alles schöne feil für Gold
Besitzen will, und so entweiht -
Ich habe etwas beinah schönes angeschaut:
Im vom Verkehr umsummten Park
Abseits von seinen Asphaltwegen,
Wie in einer Straße eine zugebaute Kirche,
Fand einen Rosengarten ich gelegen:
Dort in sonndurchstrahlter Blumenwolke
Schwiegen vom unbehobelbaren Volke
Leeres Geschwätz, hohles Getue.
Einen Augenblick der Ruhe...
Nur Rosenstauden, Rosenständer!
So dacht' ich - mittendrin
Stand von der doofen Kaiserin
Der doofere Kleiderständer.

Übersetzung Jaap Hoepelman Juli 2019



Ähnliches Foto



Montag, 1. Juli 2019

Kloos. Der allerpersönlichste Ausdruck der allerpersönlichsten Gefühle.

Ähnliches Foto
Willem Kloos, 1859-1938

Karel van het Reve (1921- 1999) war Professor für Slavistik in Leiden und als Literaturkritiker einer der witzigsten und schärfsten essayisten seiner Zeit. Eine besondere Begabung hatte er im Bloßstellen von festgefügten Klischees, ob politisch, literarisch oder wissenschaftlich.
In einem früheren Blog schrieb ich über die Rolle der "Achtziger", eine Dichtergruppe, die in den Niederlanden half das Quasi-Monopol der Pfarrer-Dichter zu beenden. Die Achtziger ersetzten die behäbigen Sprache und Moral der Pfarrer-Dichter durch "den allerpersönlichsten Ausdruck der allerindividuellsten Gefühle". So drückte sich Willem Kloos aus, der wohl als Anführer der Gruppe betrachtet wird. Tatsächlich war ihre Sprache neu und ihre Themen waren es auch - verglichen mit denen der Pfarrer-Dichter (und natürlich war Multatuli vorangegangen). Einige ihrer Werke gehören zum Kanon der niederländischen Literatur und kein Schüler kommt drum herum (wenigstens war es so zu meiner Zeit). Es sind gute Gedichte darunter, keine Frage. Aber "allerpersönlichster Ausdruck der allerindividuellsten Gefühle"?
In der Zeitung "NRC" schrieb van het Reve unter dem Pseudonym "Henk Broekhuis":

Ähnliches Foto

"Hier habe ich etwas für Sie, woran Sie bestimmt fest glauben: Künstler drücken Gefühle aus. ... Kloos sagt: "allerpersönlichster Ausdruck der allerindividuellsten Gefühle".  Unsinn natürlich, denn wenn ein Gefühl allerindividuellst wäre, würde es keinen interessieren und wenn dessen Ausdruck allerindividuellst wäre, würde ihn kein Leser* verstehen. Kloos geht ganz anders zu Werke. Er schreibt über Bäume, die verdorren im Herbst und die ihn an den eigenen Tod gemahnen. Das ist kein individuelles Gefühl, sondern ein literarisches Klischee, und Kloos war bei weitem nicht der erste, der es benutzte. Eine überfahrene Katze erinnert viel schärfer an den eigenen Tod....Was den allerindividuellsten Ausdruck anbetrifft: Ein Sonett in dem "spoen" sich reimt auf "seizoen" ("sputen"  auf "Saison", ein ziemlich  gewrungenes Reim bei Kloos, J.H.) kann man auch nicht gerade "allerindividuellst" nennen. ..."

Ähnliches Foto
Karel van het Reve



Alles wahr und ernüchternd natürlich. Aber Kloos hat trotzdem eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt bei der Erneuerung der niederländischen Poesie, und das folgende Gedicht hat - mit anderen - seinen Platz verdient:





Ich wein um Blumen

Ich wein' um Blumen, in der Knosp' gebrochen
Und vor dem Morgen ihrer Blüte schon vergangen,
Ich weine um die Liebe, die ist abgebrochen,
Und um meines Herzens unverstandenes Verlangen.

Du kamst, ich wusste - und Du bist gegangen...
Kaum habe ich gesehen, kein Wort gesprochen:
Bewegungslos im kurzen Wahn gefangen
Im ewigen Schatten meiner Pein verkrochen:

So wie ein Vögelein in stiller Nacht
Auf einmal aufwacht, weil der Himmel leuchtet,
Und meint der Tag bricht an und will ein Liedchen wagen,

Doch noch bevor verschlafen es  die Äuglein aufmacht,
Ist's wieder dunkel, und traurig nur fließt scheu
durch schläfriges Geblätter eine schwache Klage.



Ik ween om bloemen

Willem Kloos
Uit: Verzen (1894)

Übersetzung Jaap Hoepelman, Juli 2019

* Die Verdoppelung, Verdreifachung oder gar Vervierfachung der Endung der Substantive zur         korrekten Darstellung des Personengeschlechtes ist im Niederländischen nicht üblich.

Focquenbroch. Ein böser Bub aus dem 17. Jahrhundert, oder Fumus Gloria Mundi

     Willem Godschalck van Fockenbroch  1640-1670 Dichter sind Außenseiter. In diesem Blog haben wir sie kennengelernt: Piet Paaltjens , de ...