Sonntag, 5. Juni 2022

Nicolaas Beets. Nur ein frömmelnder Pfarrer-Dichter?

 


Nicolaas Beets 1814-1903


In den "Grassprietjes" des Cornelis Paradijs wurde so gründlich mit der bis in den 80. Jahren des 19. Jahrhunderts vorherrschenden Poesie der Pfarrer-Dichter aufgeräumt, dass bis tief ins 20. Jahrhundert kein Mensch noch auf die Idee gekommen wäre, ihre Arbeiten eines Blickes zu würdigen. Im Unterricht am Gymnasium wurde uns mehr als klargemacht, dass es sich hier um frömmelnde Reimemacherei handelte, die dazu noch, ein vernichtender Vorwurf, kleinbürgerlich sei und die man am besten hastiglich hinter sich lassen sollte, auf dem Weg zur freien Poesie der allerpersönlichsten Gefühle. Van Eeden, alias Cornelis Paradijs, selber kein schlechter Dichter, fertigte die Pfarrer ab mit Versen wie

...

Schreibt nur, O Hollands Predigtherren!
Schreibt nur, Ihr, in der Furcht des Herrn:
Schlechten Reim wurde man nie gewahr 
Unter Beffchen und Talar.

In der Lampe funzelt heilges Öl
Dichten ist Ihr Monopöl;-
Der Herr sieht zu und überwacht,
Dass Ihr gute Verse macht.

So schreibt und schreibt, Ihr Seelsathleten
Schreibt mehr, bald werdet Ihr Poeten
Segnend, segnend ruhet Gottes Hand
Auf dem Betrieb im Pfarrgewand.

(Übersetzung Jaap Hoepelman)

...


Ein wohl sehr prominenter Pfarrer-Dichter war Nicolaas Beets, Prediger am Dom zu Utrecht, Professor der Kirchengeschichte und christlicher Ethik an der Universität Utrecht, Rektor der Universität, Ehrendoktor, Mitglied der niederländischen Akademie der Wissenschaften, Ehrenmitglied der Gesellschaft der niederländischen Literatur, Ritter des Ordens vom niederländischen Löwen, Ritter des Leopoldsordens von Belgien, Offizier des Ordens von der Eichenkrone und Ritter des goldenen Löwen von Nassau.  Er wurde dementsprechend von Cornelis Paradijs mit u.a. folgenden Zeilen ins Fadenkreuz genommen:



O Beets! Wär's nicht verboten
Von Gott in den Geboten,
Wie würd' ich Dich anbeten.
Jetzt muss Er Dich vertreten.
Flach lege ich mich hin,
Hab Ehr' und Lob im Sinn:
Bist Du der Leiche gleicher,
Strömen die Reime reicher.

...

(Übersetzung: Jaap Hoepelman)

Aan N. Beets


 und so stand er als Dichter lange auf der Liste der Verfemten. In 1837 fing Beets als Student die "Camera Obscura" an, eine Sammlung humoristischer Skizzen aus dem holländischen Alltagsleben, die in kürzester Zeit unglaublich beliebt wurde. In Wikipedia zähle ich 73 Auflagen bis 2008. Aber auch die "Camera Obscura" konnte ab der Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute nicht mehr mit dem Beifall der offiziellen Literaturkritik rechnen. Zu altbacken, zu selbstgefällig, zu kleinbürgerlich, zu....aus der Zeit gefallen. Was den enormen Erfolg der Camera nicht im Geringsten erklärt. Aber das ist vielleicht auch nicht Aufgabe der Literaturkritik. 

Leider wurde und wird eine andere Aktivität des frömmelnden Kleinbürgers Beets bis heute kaum zur Kenntnis genommen: Sein Engagement gegen die Sklaverei, ein Thema, das 1856 kaum jemanden sonst in den Niederlanden bewegte, 1856, das Jahr in dem Beets seinen Vortrag "Die Befreiung der Sklaven" hielt für die "Gesellschaft zur Förderung der Abschaffung der Sklaverei". Es dauerte noch bis 1863 bis die Niederlande die Sklaverei in Suriname offiziell und bis 1873 bis sie sie in der Praxis abgeschafft hatten.(Siehe auch "Anton de Kom").

In der Poesie dauerte es bis Gerrit Komrij (wahrlich kein Fürsprecher der Frommigkeit) 1979 in seiner Anthologie der niederländischen Poesie Beets mit nicht weniger als 11 Gedichten würdigte, darunter "De moerbijtoppen ruisten", das ich hierunter übersetzt habe, als kleine Wiedergutmachung.


Nicolaas Beets, 1884


(2 Samuel 5:24)


"Die Maulbeerwipfel rauschten"

      Gott strich entlang;

Nein, nicht entlang, er harrte

Er wusste, wie ich warte

      Und sprach mich an;


Sprach zu mir in der stillen,

      Der stillen Nacht;

Gedanken, die entsetzten,

Verfolgten und verletzten

      Vertrieb er sacht.


Ließ seinen Frieden sinken

      auf Seel und Sinn;

Von seinem Vaterarm gestützt

War umsorgt ich und geschützt,

      Und schlief darin.


Den Morgen, der mich weckte

      Begrüßt' ich sorgenfrei

Kein Traum konnt' mich erschrecken

Und Du, mein Schild und Stecken,

     Warst nahebei


Aus: Dennenaalden (1900)


De Moerbeitoppen ruischten


(Übersetzung Jaap Hoepelman Juli 2022)

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