Noch eine Ballade aus den "Versen von Früher" und wieder ist das Thema die hoffnungslos gescheiterte Existenz. Wir wissen nicht, ob der Alte ein Verrückter, ein Verbrecher oder nur ein alter Idiot ist - so oder so, es ist nicht mehr gut zu machen. Und wer ist es? Der Dichter selber, oder vielleicht der Alte aus dem Gedicht "Die Ehe"? Und an wen richtet sich das Envoy? An Jesus? Einen Prinzen? Oder an uns, das "poetische Ihr"?
Willem Elsschot
1882-1960
Die Klage des Alten
Das Altsein, ich gewöhn' micht nicht daran.
Das Lichterloh, das nicht mehr kann
köchelt tief noch in den Knochen,
und wenn es könnt', wär's ausgebrochen.
Gewiss, es tat mir durchaus Leid,
vergeudet hab' ich viel, viel Zeit
damit, nach oben aufzuschauen,
beten zu lernen, Gottvertrauen.
Leider, es musste wohl so kommen,
bin ich doch zu sehr verkommen,
denn Gott und Seele, diese Dinge
wovon die Menschen Psalmen singen,
Gewissen, Vaterland in Not
Der Sternenhimmel und der Tod,
es sagt mir, nein es sagt mir nichts,
mein Mühen bricht den Panzer nicht.
Wofür ich stets zu haben bin,
dass ich für jedes junge Ding,
wie sie zu hunderttausend laufen,
die Kleider mir vom Leib verkaufe,
das ganze Haus, die ganze Frau
ich tu's. Und kein Bedauern
kann in meinem Blick man lesen,
auch wenn's Verbrechen ist gewesen.
Entlang den Häusern mich verdrückend
linst man mir nach, einem Verrückten
dessen Arglist, dessen Tücken
geschrieben sind ihm auf dem Rücken.
Ich bin ein Schurke, bin ein Hund,
nicht ruhen könnt' ich in geweihtem Grund,
und Lösegelder will ich zahlen
für jedes Bündel Sonnenstrahlen:
Doch lasst mich tun mit Feuersinn,
was mir gefällt, solang ich bin
und quält uns nicht: mich armen Racker
und Satanlieb, den letzten Macker.
Rotterdam, 1910.
Übersetzung Jaap Hoepelman 23.09.2018