Willem Elsschot
1882 - 1960
Antwerpen
In 1934 erschien ein Bändchen "Verzen van Vroeger" - "Verse von Früher" mit 10 Gedichten die Elsschot schon in den Jahren 1910-1912 geschrieben hatte. Es dauerte aber bis 1934 bis er - nach langem Drängen von bekannten Literaten - der Veröffentlichung des Bändchens zustimmte. 6 der Gedichte waren in 1932-33 in der Zeitschrift "Forum" erschienen, der führenden Literaturzeitschrift der Zeit, die sich stark machte gegen den manchmal überkandidelten Ästhetizismus, der sich in der Nachfolge der Achtziger in der Literatur breitgemacht hatte. Elsschots unsentimentale Umgangssprache, noch dazu bereits in den Jahren 1910-12 geschrieben, passte zu der neu-sachlichen Ästhetik des "Forums". Die Zeitschrift setzte sich außerdem für ein engeres Zusammengehen der niederländischen und der flämischen Literatur ein. Der Belgier Elsschot passte also in jeder Hinsicht zur Philosophie der Redaktion. Elsschot hatte schon vorher 4 Romane geschrieben, die kaum wahrgenommen worden waren. Er hatte seine literarische Aktivitäten praktisch aufgegeben und sich seiner Arbeit als Werbemann gewidmet, als seine Gedichte erschienen und sich als großen Erfolg erwiesen. Seitdem ist Elsschot Vorbild für Generationen von Dichtern und Schrifstellern, die eher der unsentimentalen, kunstlosen, sachlichen, umgangssprachlichen Seite des Métiers zugeneigt sind. "Am Totenlager eines Kindes", "Die Ehe" und der "Brief" habe ich in diesem Blog schon übersetzt. Alle zeichnen sich aus durch den verzweifelten Versuch sich einer Lage zu widersetzen, die nicht gut zu machen ist. Der Tod eines Kindes, die Hölle einer Ehe, die vergebliche Rache. Mich erinnern alle an die Ballade des Pendus des François Villon, mit ihrem "envoy" in den Schlusszeilen:
.........
"Prince Jhesus, qui sur tous a maistrie,
Garde qu'Enfer n'ait de nous seigneurie :
A luy n'avons que faire ne que souldre.
Hommes, icy n'a point de mocquerie;
Mais priez Dieu que tous nous vueille absouldre.."
Garde qu'Enfer n'ait de nous seigneurie :
A luy n'avons que faire ne que souldre.
Hommes, icy n'a point de mocquerie;
Mais priez Dieu que tous nous vueille absouldre.."
Willem Elsschot
Rotterdam 1910.
Der Buckel spricht
Hier ist der Buckel, das Klappergestell
der Knubbelkerl, der drollige Gesell',
der Zwerg, der hochdreht das Gesicht
wenn er mit den Söhnen spricht
Der Baumstumpf mit dem schrägen Stamm,
mit obendrauf ein Riesenschwamm,
nistend dort für alle Tage,
und den kein Mensch davon kann jagen.
Er hockt dort schon solang ich denken kann
ein Teufel mir von Kind bis Mann,
der alles hat versaut, verdorben,
zu meinem Unglück hat er Ruhm erworben.
Auf der Hochzeit mit dabei
den Frack zerschnitten für das Ei,
die Braut beschämt, das Fest geklaut,
spuckt Galle auf den Strauß der Braut.
So verübte und verübt er Mord nach Mord,
wenn er nur sitzt und spricht kein Wort,
nicht sieht noch hört, macht keinen Laut,
er frißt mich ganz, mit Haar und Haut.
Ihr, denen keiner kann vergeben
was ihr verbrochen habt im Leben;
Gesindel mit dem schwärzesten Gewissen,
die weder ruhig schlaft, noch esst nur einen Bissen,
die voller Scheu im Schattenreich verkehrt,
kommt her, gebt mir was euch beschwert,
ich werd' es heben ohne Klagen,
wenn ihr für mich das Ding wollt tragen.
Übersetzung Jaap Hoepelman 11.09.2018