Gedichte in niederländischer Sprache sind in Deutschland ziemlich unbekannt. Ich versuche hin und wieder ein Gedicht so zu übersetzen, dass im Deutschen etwas vom Flair der Poesie aus dem niederländischen Sprachgebiet zum Ausdruck kommt. "Einzelne Posts" führt zu den einzelnen Beiträgen. "Reineke Fuchs" zum berühmten Epos. "Älterer Post" am Ende jedes einzelnen Posts führt zum vorhergehenden Beitrag.
Samstag, 28. Juni 2025
de Afsluitdijk - der Abschlussdeich
Sonntag, 8. Juni 2025
Hans Andreus Liebespoesie: Leicht, Elegant.
Hans Andreus
1926-1977
Über Andreus Poesie schrieb ich in früheren Posts - seine Gedichte sind leicht, natürlich und elegant, auch, wie hier, die Liebespoesie.
Für einen morgigen Tag
Wenn ich morgen sterbeerzähl den Bäumen
wie sehr ich dich liebte.
Erzähl dem Wind,
der auf die Bäume steigt
und aus den Ästen fällt,
wie sehr ich dich liebte.
Erzähl es einem Kind,
jung genug, um zu verstehen.
Erzähl es einem Tier,
versuch' vielleicht allein es anzusehen.
Erzähl's den Häusern aus Stein,
Erzähle es der Stadt,
wie lieb ich dich hatte.
Aus: Al ben ik een reiziger
Uitgeverij Holland 1959
(Übersetzung Jaap Hoepelman Juni 2025)
Dienstag, 27. Mai 2025
Simon Vestdijk: Schneller schreiben als Gott lesen kann.
Simon Vestdijk
1898-1971Ich konnte leider keine unmittelbare Hinweise auf Napoleons Verbleib in Doorn zusammengoogeln, außer immer wieder welche auf Vestdijks Gedicht, die mir ja nicht weiter geholfen haben. Vestdijk hat aber ein Großteil seines Lebens in Doorn verbracht und ihm kann durchaus mal die Dorflegende überliefert worden sein über den Franzosenkaiser, der Unterkunft in einem Hof in Doorn gefunden hätte. Immerhin hatte Napoleon 1811 auf Inspektionsreise durch die Niederlande Amsterdam besucht
und warum sollte er nicht im zentral gelegenen Doorn Biwak gemacht haben?
Vestdijk war Artzt und dass Napoleon an Magenkrebs gestorben ist wird ihm wohl bekannt gewesen sein. So konnte er der dem bleichen Kaiser vertraute Belagerung mit Blei und Eisen eine wesentlich bedeutendere Belagerung gegenüberstellen.
Der Hof bei Doorn
In diesem Gehöft hat Napoleon
In achtzehnhundertelf die Nacht verbracht
Es war ein Frühlingstag, lau, ohne Sonne:
Der alte Bote, der Depeschen brachte
Ins Dorf am alten Postweg, wo er Biwak machte,
Schwitzte so stark, dass er es kaum ertragen konnte.
Der kleine Raum, wo jetzt der Kaiser schlief
War staubig, roch nach Kampfer und müffelte großmächtig
Und als ein Hahn vor seinem Fenster rief;
Äusserte der Kaiser sich verächtlich:
"Le coq gaulois!" - man sagt, dass er schlecht schlief,
Die Nacht. Ihm kam der Schlaf beim ersten Nagen nicht
Des Krebses, dem er in der Fremde unterlag...
Die Furcht der Dörfler vor ihm war nur mäßig;
Zu dick war er, der Blick zu flau,
Zu klein war das Gefolge, - die Wache ließ, nachlässig,
Sie viel zu nah heran, an den getünchten und feierlich
Von Frankreich überflaggten Bau.
Die weiße Festung hat hier immer noch Bestand:
Eine Festung wahrlich, wo der bleiche Kaiser
Zum ersten Mal den Angriff überstand
Von Furcht und Schmerz anstatt von Blei und Eisen,
Und am unmerklich Fortkriechen des Zeigers
Beim Flackern des Kerzenlichts den Tod verstand.
Simon Vestdijk war einer der produktivsten niederländischen Schriftsteller. Er war Romancier, Dichter, Essayist, Übersetzer, Musikkritiker, was Kollege-Dichter Roland Holst zur spöttischen Bemerkung veranlasste, dass er schneller schrieb als Gott lesen könne. In seiner Wahlheimat Doorn lebte er eigentlich als ziemlicher Einsiedler, was bei seiner Produktion kaum anders vorstellbar war. Trotzdem war er als Redakteur verschiedener literarischer Zeitschriften tätig, darunter das kurzlebige, aber dafür sehr einflussreiche niederländisch-belgische "Forum" (1932-1935), mit auf der niederländischen Seite M. ter Braak und E. du Perron und auf der belgischen Maurice Roelants.
Vestdijk figurierte sogar 12 Mal in der Vorwahl für den Nobelpreis für Literatur, was für niederländische Schrifsteller das höchst erreichbare ist.
Während des 2. Weltkriegs richtete der Besatzer in 1942 das Internierungslager "Michielsgestel" für die niederländische Elite mit einem Regime, das unter den Umständen "erträglich" genannt werden konnte, ein. "Hitlers Herrengefängnis" höhnte einer der Insassen. Vestdijk wurde dort 1942-1943 interniert, in erster Linie wohl wegen seiner Verbindung zu ter Braak und du Perron, beide prominente Nazi-Kritiker, beide bei Kriegsanfang gestorben. Die erleichterten Umstände der Internierung konnten nicht vom eigentlichen Zweck der Gefangenschaft ablenken: Bei gegebenem Anlass immer einige Geiseln zum standrechtlichen Vollzug in der Hand zu haben, wie z.B. nach einem - misglückten - Überfall auf einen Güterzug in Rotterdam.
Vestdijk verbrachte seine Zeit in Michielsgestel mit frenetischem Dichten, häufig unter dem Eindruk der immerwährenden Todesdrohung.Diese Gedichte wurden später als "De Gestelsche Liederen" herausgegeben. "Der Hof bei Doorn" stammt aus diesem Band.
Einige der Werke Vestdijks sind ins Deutsche übersetzt; für eine Übersicht klicke man HIER.
Freitag, 16. Mai 2025
Marsman. Eine Vorahnung?
In einem früheren Post berichtete ich, wie Hendrik Marsman, der Schöpfer des "beliebtesten Gedichtes der Niederlande", 1940 versuchte an Bord des Dampfers "Berenice" von Frankreich nach England zu entkommen und dabei durch einen Torpedoangriff umkam. Das Meer und Schiffe spielen eine wichtige Rolle in Marsmans Poesie und weil in der Literatur nun einmal "alles geht" ist es kein Wunder, dass das Gedicht "Überfahrt" gerne als "Vorzeichen" gedeutet wird:
Die Überfahrt
Das einsame schwarze Bootfährt bei Nacht und Nebel
durch eine Finsternis, grausam und groß,
dem Tod, dem Tod entgegen.
ich liege tief im stöhnenden Raum,
kalt, verängstigt und allein
und ich weine um das klare Land,
das am Horizont verschwand
und ich weine um das düstre Land,
das blass am Horizont erscheint.
wer von der Liebe getroffen ist
und ist vom Blut übermannt,
der erfuhr noch das Dunkelste nicht,
dessen Leben verging nicht für immer;
denn die letzte Niederlage
trifft das Herz wenn es kämpft mit dem Tod.
oh! die Fahrt zum ewigen Land
durch die Finsternis grimmig und groß
in der nie verblassenden Angst,
dass der Tod das Ende nicht ist.
Übersetzung Jaap Hoepelman Mai 2025
Samstag, 12. April 2025
Reisender tourt Golgotha.
Reisender "tourt" Golgotha
Sie haben ihn, ohne danach zu fragen
ob Er es könnt' ertragen,
mit Nägeln an ein Kreuz geschlagen.
Und als Er dort dann litt und hing,
- ein Nagel ist ein übles Ding -
sprach Er: Vater verzeih es ihnen.
Sprach Er: Sie wissen nicht was sie tun.
Sie wollten sich damit hervortun -
mal schauen - was wird Er jetzt tun?
Aber Er betete für sie,
und sterbend hatte Er für sie,
für ihr Gewissen, noch ein Alibi.
Und ich stand weiter weg, und tat,
als ob ich plauderte mit einigen Soldaten,
die nutz- und ahnungslos das, was sie taten taten.
Er aber, in der letzten Not, befahl sich
in die Hände Seines Vaters; - Noch vor Ostern musste ich
nach Jaffa hasten, dort wartete mein Schiff auf mich.
II
Dann konnte ich - auf Zypern - in der Zeitung lesen:
J.v.N., der Christus wird genannt,
der vor drei Tagen gekreuzigt ist gewesen,
dem werten Leser dieser Zeitung wohl bekannt,
ist in Seinem Grab nicht angetroffen:
Nach hartnäckigen Gerüchten war es offen,
insgeheim hätten die Jünger sich getroffen,
als die Wärter schliefen, und den Leib entwendet.
Exaltierte Frauen hätten jedoch gemeldet,
dass sie Ihn wandern sahen in den Feldern;
Maria soll gestammelt haben: Adonai!
Fischer behaupten, dass Folgendes geschehen sei:
Am See Tiberias war Er beim Mahl dabei.
Zuständige Instanzen halten dagegen:
Das sei nur der Versuch, einen herein zu legen.
III
Rom. Der Anker fällt. Es geht nach Hause.
Jetzt schleunigst zu den Thermen um mich zu entlausen
von Rausch und Reise, und jetzt bei mir zuhause
bei Frau, Kamin und Funk gesessen,
sind Kreuz und Christus bald vergessen.
...Dann hat ein S.O.S. sich in mein Herz gefressen:
"Es gießt mein Geist sich aus auf alles Fleisch,
wer jetzt nicht für Mich ist, ist gegen Mich", so heißt es
aus Geheimem Sender gleißend heiser.
Die Segel neu gesetzt, über Einsamkeiten
der Ozeane, welche uns entzweien.
Christus, will am Ende mir erscheinen.
Aus Verzamelde Gedichten (2003).
Übersetzung Jaap Hoepelman April 2025
Dienstag, 1. April 2025
Hans Lodeizen. Der Perk der Fünfziger...?
Hans Lodeizen war der Sohn des Präsident-Direktors der Rotterdamer Reederei Müller&Co* und war als solcher aller materiellen Sorgen enthoben. Seit seiner frühen Jugend litt er aber unter einer schwachen Gesundheit, einer Asthma, die ihn zu einem einsamen Kind machte und ihn in Gymnasium behinderte. Später fing er ein Studium an der Universität von Amherst (Mass.) an, das er nicht abschließen konnte. In Amherst traten erste Symptome der Leukämie auf, an der er in 1950 in Lausanne starb. In seinem kurzen Leben erschien von ihm nur ein Gedichtband, "Het innerlijk Behang" - "Die innerliche Tapete". Weil er sehr jung starb, weil seine Poesie neu und andersartig war als die der Vorgänger, und weil bald nach seinem Tod mit der Bewegung der Fünfziger eine Welle der Erneuerung einsetzte, wird er wohl mit Jacques Perk, dem Vorläufer der Achtziger des 19. Jahrhunderts verglichen. Perks hochgestimmte Feier der Dichtkunst war ihm aber völlig fremd. Lodeizens Gedichte sind unprätentiöse, reimfreie, scheinbar lose zusammengefügte Prosatexte voller Bilder und Assoziationen über Verlassenheid und Trauer. Lodeizen passte nicht in dieses Leben und als Homosexueller schon gar nicht in das Leben während und kurz nach WKII. Als Erneuerer kurz nach einem Krieg nach dem es keinen Sinn mehr hatte weiter zu machen in den hergebrachten Formen, erinnert er eher noch an Paul van Ostaijen, kurz nach WKI, auch er jung gestorben, auch er ein großer Beender der Tradition. Lodeizens neue Dichtkunst aber kam sehr gut an. Vom einzigen Band "Het innerlijk Behang" gab es bis 1990 15 Auflagen. 1996 erschien eine vollständige wissenschaftliche Ausgabe "Gesammelte Gedichte" (Uitgeverij G. A. van Oorschot, Amsterdam, 1996)
in diesem Land; der König
ging im Hermelinmantel zu Bett
Langsam
Winter, du bist ein Schlechter,
in den Häusern versteckst du dich
wie ein Kind sehe ich dich, wie du in alle Schulen
hinein rennst mit deinem Leib
versteckt im Ranzen oh Winter du bist
ein schlechter Lehrer.
Ein kleines bisschen Feuerwerk damit
bin ich zufrieden o Winter gib mir
etwas Fröhlichkeit schneide eine Scheibe
ab von diesem Mittag werfe ein Märchen
in das Gewässer der Nacht
oh schlechter Lehrer.
Tag schlechter Winter, Scherenschleifer,
mit verschrammten Knien rennst du
über den Schulhof wie Murmeln
aus den Wolken eines Himmels zum blauen
Hemd, wo die weiße Kreide reitet eines
schlechten Lehrers.
aus: Hans Lodeizen "Het innerlijk behang" Van Oorschot Amsterdam (1949).
(Übersetzung: Jaap Hoepelman Februar 2019)
*Es ist ein "fait divers" in diesem Zusammenhang, aber es vermittelt doch einen Eindruck von Lodeizens Umgebung. Das Handelsunternehmen Müller & Co. dessen Vorstandsvorsitzender Lodeizens Vater war, wurde 1876 in Düsseldorf gegründet. In 1889 übernahm Anton Kröller (verheiratet mit Hélene Müller, der Tochter von Wilhelm Müller) die Leitung der Rotterdamer Niederlassung. Hélene Müller ist die Stifterin der Sammlung Kröller-Müller, beheimatet auf einem Landgut in Osten der Niederlande, mit einem Museum und einem vom berühmten Architekten Berlage entworfenen Jagdschloss.
Ein gutes Beispiel für Lodeizens lakonische aber bedeutungsreiche Bildersprache fand ich immer "An einem sehr warmen Sommertag", in dem Titel und Gedicht nahtlos in einander übergehen:
An einem sehr warmen Sommertag
er hatte
alle Formen der Trauer
im Körper ertränkt
doch Angst
mit Hut und Regenschirm
wartete im Vestibül.
aus: Hans Lodeizen "Het innerlijk behang" Van Oorschot Amsterdam (1949).
Übersetzungen: Jaap Hoepelman Februar 2019, April 2025
Montag, 24. März 2025
Een Kaasboer uit Gouda und mehr Blödsinn.
Auf der Suche nach Spaßgedichten im Niederländischen begegnet man unweigerlich dem Limerick. Der Limerick wird besonders geschätzt, wenn er interne Reime, Wortspiele, ein gewisses Maß an Absurdität und Anzüglichkeiten beinhaltet. Auf letztere habe ich selbstverständlich verzichtet. Limericks stammen aus England, sie sind etwas altbacken und sie waren eine Zeitlang ziemlich beliebt in den Niederlanden. Ein großer englischer Vertreter des Genres war Edward Lear. In den Niederlanden war John O'Mill einer der Anwender der Form. Als ich auf dieses Beispiel des Alex van der Heide stieß
verspürte ich Lust mich daran zu versuchen - meinen guten Ruf hatte ich in vorherigen Posts sowieso schon ruiniert. Hier das Ergebnis:
Ein Jäger mit Schießgewehr in Leer Jagte die Jägerin im Kreisverkehr. "Ach, es ist relativ", Sagte sie, wärend sie lief, "Bin ich schneller, bin ich hinter ihm her".
Weil die Sünde schmeckte, entschied ich mich auf eigene Faust mehr zu versuchen:
Freitag, 14. März 2025
Sankt Drachus und der George. Eine Fingerübung.
In meinem letzten Post habe ich mich mal wieder in die seichten Gewässer des niederländischen Spaßgedichtes begeben und mich noch einmal an John O'Mill versündigt. Dieses Mal will ich mich an einem seiner bekannteren Reimen, der Ballade "Sint Dracus en de Joor", geschrieben in der Technik des "Spoonerismus", versuchen. Im Spoonerismus (benannt nach William Spooner, einem Geistlichen zu Oxford, der daran litt) werden Wortanfänge in Sätzen vertauscht (oder auch Buchstabenfolgen innerhalb Wörter), mit einer hoffentlich komischen Wirkung, wenn geschickt eingefädelt.
Avec mes tendres excuses pour ce qui va suivre...
Sankt Drachus und der George
Sankt Drachus in seiner ränzenden GlüstungRitt im Schritt in einer lunklen Dichtung
Jäh halten Rerd und Pfeiter ein
Erschreckt vom schrauenhaften Grein
Ist eine Neele dort in Sot
Ergriffen von dem talten Kot?
Sankt Drachus spaut die Horne rein
Dort wo er hört des Schrotrufs Nein
Das Erbspiel, das er jetzt schaulickt
Ihn vor Ersetzen schier entstickt.
Das Gruppenungeheuer, das schößte,
das zähsige Klauen und riene entblößte!
Am Feden, vor den Bolsen liegt
(Die Gesände vor dem Hicht geschmiegt)
Die munge Jagd! Macht Drachus ach! verrückt!
Mit güldner Kone ist der Kropf geschmückt.
Sankt Drachus, obschon ihm zumu bangte
Mutig im Lanten zur der Reize langte
Und weiss ihm ohne stab zu eigen
Den Lachmann an der Fanz' zu zeigen.
Noch fluckt es Spammen, brümmt ein Kein
Dann tinkt die Lanze siefer ein.
Die munge Jagd lässt einen Schreudenfrei
Sagt ritternd, dass er ihr Zetter sei.
Er hetzt sie sin, so kest er fann
Und singt brie aus dem Trachendann.
Die Varg des Buters ist nicht fern,
Dort ihmt man dank, man hankt dem Derrn.
"Drachus", spricht Kater, "vomm zu mir".
Doch Drachus hählt das Wasenpanier.
Lang viert der Stater in die Nacht,
Küttelt den Schopf, hat nache langgedacht.
Eher ein verpasster Wiedemann.
Die ganze Neiße fängt von Scheuem an.
Donnerstag, 6. März 2025
John O'Mill. Der nüchterne Niederländer
In der jetzigen traurigen Zeit wollte ich etwas anderes als immer nur die übliche poetische Trübsal blasen. Heute greife ich zunächst mal zurück auf John O'Mill. Es passt irgendwie...
Der nüchterne Niederländer
Das Bild des Leiters,
Jetzt, damals, oder wie auch immer,
hängt in Russland in jedem Klassenzimmer.
Der Yank will, dass in Yankeeland
Die Yankeefahne hängt an jeder Klassenwand.
Was hängt beim nüchternen Niederländer?
Der Lebensversicherungskalender.
Übersetzung Jaap Hoepelman März 2025
(frei nach John O'Mill)
Freitag, 21. Februar 2025
Die Israelitische Laubhütte

Wer voller Hohn zur Hütte kam -
Nicht ich, Du Kind von Abraham!
Entbiet' ich ehrlichen Gemuts,**
Der Schwelle meinen Friedensgruß!
Dein Fest begehst Du, sitzend dar,
Getrost in Deiner Kinderschar,
Im Schatten Deines Laubverschlags,
Wie Dir von Mose einst gesagt.
Judeas Rebstock grünt hier nicht;
Oliv' und Feige reifen nicht;
Du erntest in der rauen Luft
Nicht reiches Laub, nicht süße Frucht;
Und doch bist Du gesessen dar,
Getrost in Deiner Kinderschar;
Das Festzelt hier ein Örtchen fand
Wie einst in Palästinas Land.
Dreitausend Male schloss die Sonne
Den Kreis, wo sie das Jahr begonnen,
Noch immer baust Du den Verschlag,
Wie einst von Mose Dir gesagt.
Jerusalem ist tief entehrt;
Des Tempels Mauern sind verheert;
Verflossen ist schon längst die Zeit
Des Glanzes beider Herrlichkeit.
Trotzdem, Dein Zelt steht jedes Mal
Bei Völkerschaften ohne Zahl,
So bald die Schal' am Himmelszelt,
Das Tagesmaß hat gleichgestellt.***
Wir - tasten in Unsicherheit;
Die Wiege liegt in Dunkelheit;
Dass Gott uns hat hierhin gebracht,
Wird nicht gefeiert, nicht gedacht!
Dreitausend Jahr' hast Du gezählt,
Dass Dich der Ew'ge auserwählt;
Dass, als Du flohest vor Gewalt,
Sich öffnete im Meer ein Spalt;
Dass, ohne Dach, ein Leben lang,
Die Schare ging den Endlosgang;
Die Wolkensäule führt' den Zug,
Und Manna war Dir Speis' genug.
Du feierst bis zur heut'gen Zeit,
Dass Gottes Arm Dich hat befreit.
Deswegen, ehrlichen Gemuts,
Entbiete ich den Friedensgruß.
Wer voller Hohn zur Hütte kam -
Nicht ich, Du Kind von Abraham!
De Israelitische Loverhut
Aus: Staring 1836/1837 Gedichten
Arnhem, Nijhoff.
Vertaling Jaap Hoepelman Februar 2025
* Doctoraalscriptie Paul Hendriks Leiden 1997
**"ehrlichen Gemuts"...ich weiß, ich weiß. Mangels Reimwortes war ich auf der Suche nach Assonanzen für meinen quasi-altmodischen Text und fand eine passende Stelle:
*** Gemeint ist die Zeit nach dem Mondkalender, die Tag-und-Nachtgleiche, in der Tag und Nacht ungefähr gleich lang sind und in der das Laubhüttenfest gefeiert wird (September, Oktober).
de Afsluitdijk - der Abschlussdeich
M. Vasalis (1909 -1998) ( Margaretha Drooglever-Fortuyn-Leenmans) Afsluitdijk - Abschlussdeich Der Bus fährt wie ein Zimmer durch die Nacht ...
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Hendrik Marsman (1899-1940) Laut einer Umfrage hat Hendrik Marsman das beliebteste Gedicht der Niederlande geschaffen: "Erin...
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Hugo Claus 1929-2008 Belgien wird wohl das Schlachtfeld Europas genannt. Die wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung Belgiens und seine ...
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Antoni Christiaan Wijnand Staring 1767-1840 In einem früheren Post habe ich schon einige Zeilen über Staring als Dichter der Übergangszeit ...