Lidy van Marissing schrieb experimentelle Poesie und Prosa. Ihre Kunst ist manchmal schwer verständlich und wurde lange vernachlässigt . Sie arbeitete als Journalistin und u.a. an der experimentellen Zeitschrift "Raster". Ich kannte sie nicht und finde auch recht wenige Daten über sie. Jetzt aber wurde ihr eine wichtige Auszeichnung für experimentelle Poesie verliehen und ihre Arbeit findet erneutes Interesse. Mein Poesie-Abo schickte mir das Gedicht "Verhältnisse", das mir so gut gefallen hat, dass ich es hier versuche zu übersetzen. Ich zitiere T.S. Elliot noch einmal: "Genuine poetry can communicate before it is understood"
Verhältnisse
auf des Herren Wegen
freibeutern die Damen, takelnd sich
hoch auf den Beinen, machend sich
auf mit blutroter Farbe, das Mündchen
geschürzt
das Klicken der Stöckel hellt
die Büros auf; zwei Brüste
vorgebunden, wer trippelt nicht
freihändig
wo Marmorfliesen glänzen, wer?
Triefnasen tun ihren Deut
in ihr Täschchen, sie wälzt sich
in anderer Leute Reichtum
und Regeln, wie sich's gehört
das Klicken
das Lecken, Männersitte,
Männerehre, so strömern
die Herren, rüttelnd sie
nach der Uhr, auch ihrerseits
die Wangen rotfleckig gesprenkelt
ohne Kleider? Am liebsten
mit Socken.
Übersetzung Jaap Hoepelman Mai 2024