Donnerstag, 24. September 2020

Elsschot: Dichten ohne Schnörkel

 

Alphons Josephus de Ridder,
Pseud. Willem Elsschot 1882 - 1960

Der Flame Alphons Josephus de Ridder (Pseud. Willem Elsschot) gehörte zur gleichen Generation wie Van Ostaijen und Nijhoff. Seine Romane spielen überwiegend in der Geschäfts- und Werbewelt. Mit Werbung hatte er Erfahrung als Mitarbeiter und Redakteur der Zeitschrift "Revue Générale Illustrée de l'Industrie, des Arts et du Commerce", eine typische Werbefalle und so nimmt es nicht Wunder, dass der Betrug ein essentielles Thema in seinen Schriften darstellt. Er wird zu den größten niederländisch-sprachigen Schriftstellern gerechnet und ist Träger des flämischen und des niederländischen Staatspreises für Literatur. Wie bei Van Ostaijen und Nijhoff ist seine Sprache die moderne niederländische Umgangssprache, aber er setzt sie völlig anders ein. Symbolisches Ränkespiel wie bei Nijhoff sucht man hier vergebens. Aber was für eine Sprache. Im Gedicht "Brief" geht es eher rustikalisch zu: Auf die Fresse. Elsschot arbeitete 1908 bis 1911 auf einer Werft in Rotterdam und im "Brief" drückt er eine Wut aus, die ihn 1934 immer noch nicht verlassen hatte. 

Frans Masereel 1929


Brief

Alter Drecksack, mit dem Bart,
dürr im Geist, doch dicht behaart,
der auf uns schaute wie der Spieß,
der die Rekruten zittern ließ.

Ich weiß es noch, verdammtes Tier,
hockst du auch weit weg von hier,
ein Greis, verschanzt in seinen Runzeln
in einem Bunker mit Penunzen.

Dass du Stein hast plattgemacht,
kaum hatte der dir klargemacht,                     
wie du Schätze kannst verdienen
mit dem Bau seiner Maschinen.

Wie du für ein paar Moneten
hast Barends in den Dreck getreten,
wegen Kleingeld in den Miesen
konnte er das Jahr nicht schließen.

Wie dem Lehrling, Haut und Knochen,
von zwei Gulden für zwei Wochen
der halbe Lohn  wurde genommen,
denn er war zu spät gekommen.

Ich weiß es noch, du siehst es richtig,
aber mir ist nicht einsichtig,
wie aus der Untertanenherde
nicht ein Mucks kam, keine Beschwerde.

Hätt' ein Gericht aus unsrer Mitte,
nach abgelehnter Gnadenbitte,
dich mal eben angefasst,
dir eine in das Maul verpasst,

Dir mal kurz den Bart geschoren,
ob mit, ob ohne deine Ohren,
aus dem Beinkleid dich geholt
und dir dann den Arsch versohlt.

Doch ist die Rache aufgeschoben,
sie ist gewiss nicht aufgehoben,
wir können uns auch an dir rächen
ohne dir 's Genick zu brechen.

Denn es kommt die rote Zeit,
wenn der Sklave sich befreit,
noch bevor deinen Kadaver
man verscharrt ohne Palaver.

Du wirst verurteilt, hundert pro,
zum Schrubben von Pissoir und Klo,
dann kannst du weiter spekulieren
über den Wert von Wertpapieren.


 Übersetzung Jaap Hoepelman Fassung September 2020

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