Freitag, 10. April 2020

Guido Gezelle auf eine leichte Note: Das Lied vom Bauer Naas

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Guido Gezelle
1830-1899


Das Lied vom Bauer Naas


Wer hat noch nicht das Lied gehört,
das Lied von Naas dem Bauer,
wohl war, er war kein Löwenherz,
dafür ein ziemlich schlauer.

Verkauft hat Bauer Naas gehabt
zwei Rinder in der Stadt
und als es dann nach Hause ging 
hatte er Franken satt.

Naas war zwar nur ein Bäuerlein,
dennoch ein schlauer Kopf,
er hat gekauft 'nen Siebenschuss,
den sieben Mal gestopft.

Also ging Naas, mit leichtem Tritt
und mit dem Beutel schwer;
und sprach: "Och, dass ich nur zu Haus'
in meinem Bette wär!"

Doch was hört plötzlich Bauer Naas,
grad hinter einem Strunken?
Etwas, das sich bewegt und regt:
Naas wäre schier versunken!

Und noch bevor er Luft bekam,
vor Schreck stockt ihm der Odem,
da packen Naas zwei Fäuste fest,
schon lag er auf dem Boden.

Er sah kaum und er hörte kaum,
die Sinne ihn verließen,
er sah nur einen Ballermann,
und hörte laut: "...Ich schieße!"

"Ich schieße, wenn du nicht sofort
den Zaster mir wirst geben;
wenn du nur einen Finger rührst, du Narr,
ist's aus mit deinem Leben!'

Naas betete das Kreuzgebet
fünf, sechs Mal alle Tage,
damit er lange lebe. Eins war klar:
Er war in böser Lage.

"Was wird sie sagen," jammert Naas,
"wann ich zuhause anklopf'?
Versoffen hat er's wieder mal!
der liederliche Suffkopf!"

"Hör' zu, Freund, eine Bitte nur,
erwirb auch meinen Dank,
schieß eine Kugel durch den Hut
erspar mir Frauenzank!

Ich sag' wenn ich zu Hause bin
man raubte den Gewinn,
es fehlte wenig, in der Stirn
ein Schuss wär' mitten drin!"

Der Dieb, dem Pinke lieber war
als Bauern Naasens Blut,
schoss auf der Stelle durch und durch
ein Loch in Naasens Hut

"Hab Dank!" sagt Naas, und nimmt den Schoß:
"noch eine durch die Jack'!"
Der Dieb legt an und Bauer Naas hält
eifrig hoch den Frack.

"Noch eine durch die Hos'," sagt Naas,
"dann denkt mein Weib, fürwahr,
dass durch ein Wunder ich entkam
aus größter Leibsgefahr."

Der Räuber sagt "Jetzt reicht es wohl,
gib mir sofort den Lohn:
hab' weder Zeit noch Kugeln mehr..."
"Ich schon," sagt Naas, "ich schon!"

Den Siebenschuss holt Naas hervor:
"Das könnte dir gefallen,
wenn du nicht gleich das Weite suchst,
dann, Galgenaas, wird's knallen!"

"Ich schieße, wenn du näher kommst,
dir deinen Kopf zu Brei,
und, wenn du Naas berauben willst,
hab' den Verstand dabei!"

Und laufen das der Räuber tat,
die Beine aus dem Leib,
sodass es unbeschreiblich ist,
so schnell ich dies auch schreib!

Hier hör ich auf. Ein andrer schreib'
ein neues Lied, den Sang von Naas dem Bauer;
wohl wahr, er war kein Löwenherz,
dafür ein ziemlich schlauer!


Oktober 1868

Gezelles Poezie wird gerne auf Musik gesetzt, hier das Lied von Naas
Übersetzung Jaap Hoepelman Februar 2019

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