Dienstag, 24. Oktober 2023

Herzog Jan






Herzog Jan I von Brabant
1252-1294
Aus den Brabantse Yeesten von Jan van Boendale (1440-1450)

Dass das bemerkenswerte Verhältnis zwischen Köln und Düsseldorf nicht an letzter Stelle einem niederländischen Minnesänger zu verdanken ist, war mir nicht bekannt, bis ich mich für dieses Kapitel ans Werk machte.  
Das herkömmliche Bild des lieblichen Minnesängers kann ziemlich in die Irre führen:  


Der Minnesänger Herzog Jan I von Brabant verdiente seine Sporne in erster Linie als Draufgänger in der Schlacht und als gefürchteter Raufbold in Turnieren.
Den Düsseldorfern ist die Schlacht von Worringen (1288) ein Begriff. Das Düsseldorfer Stadterhebungsmonument erinnert daran und hat für mich Ähnlichkeit mit dem Minnesänger...

Detail Düsseldorfer Stadterhebungsmonument.

Die Hauptkontrahenten in der Schlacht waren der Kölner Erzbischof, Siegfried von Westerburg, und Rainald von Geldern auf der einen Seite und eben Herzog Jan (Johann) I von Brabant auf der anderen.

Es war keine geringe Sache. Mehr als 10.000 Kombattanten waren an der Schlacht beteiligt, darunter tausende Ritter. Um die 2000 Tote soll es gegeben haben.


Die Schlacht von Worringen.
Aus den Brabantse Yeesten von Jan van Boendale (1440-1450)

Die Liste der Interessenten erstreckt sich bis hinauf zum Papst und zum französischen König und liest sich wie ein who-is-who des nord-west europäischen Adels. Die Teilnehmer waren alle in irgendeiner Art mit einander verwandt oder verschwägert. So waren Rainald von Geldern und Jan I von Brabant Schwäger,  verheiratet mit Halbschwestern aus dem Hause Dampierre. Die Dampierres hatten sowieso überall die Finger drin, wir erinnern uns, dass auch Margarete, Gräfin von Konstantinopel mit einem Dampierre, Wilhelm, verheiratet war, für dessen Anspruch auf die Grafschaft Holland eine Armee in die Schlacht um Walcheren geschickt, und vernichtend geschlagen wurde.
Rainald von Gelderns erste Ehe endete mit dem frühen Tod seiner Gattin, Irmgard von Limburg. Rainald leitete daraus einen Anspruch auf das Herzogtum Limburg ab. Leider hatte Jan I von Brabant die Rechte auf Limburg bereits einem von Irmgards Verwandten, Adolf Graf von Berg, abgekauft. Rainald, jetzt verheiratet mit einer Dampierre, konnte den Brabanter Machtgewinn nicht akzeptieren, ebenso wenig wie der Bischof von Köln, Siegfried von Westerburg. Vermittlungsversuche scheiterten, es musste zur Schlacht kommen.  Auf Rainalds Seite war das Haus Luxemburg mit von der Partie. Auf Herzog Jans Seite kämpften Kölner und Düsseldorfer Bürger für ihre Rechte gegenüber dem Kölner Erzbischof.
Jan I, der minnesingende Herzog, erschlug im Laufe des Gefechtes Heinrich VI und 3 seiner Brüder und damit eine ganze Generation des Hauses Luxemburg. Um es kurz zu fassen: Nach einer wüsten Metzelei obsiegte Jan.

Herzog Jan im Codex Manesse
1305-1315. Man sieht das Banner mit dem Limburger  (rot) und 
dem Brabanter Löwen (gold).

Ein Bild in der Nuova Cronica stellt die Niederlage Rainalds dar. In den Händen hält Rainald Federn als Zeichen der Kapitulation. Links neben ihm die erschlagenen Luxemburger. In der Mitte rechts Herzog Jan, mit dem entsprechend neugestalteten Wappenschild der Brabanter.

Die Kapitulation des Reynalds von Geldern, Nuova Cronica


Düsseldorf  erhielt als Dank für die Unterstützung die Stadtrechte.

Herzog Jan war nicht nur ein wüster Raufbold. Er ist in Brabant noch in einer anderen Eigenschaft bekannt, sogar beliebt geworden: Als Kulturmäzen. Am Brüsseler Hof begann man Urkunden allmählich auf Niederländisch anstatt Französisch zu verfassen. Jan liebte und förderte Musik, Sang- und Dichtkunst, gutes Essen und einen guten Tropfen. Einer Überlieferung nach ist der Name des legendären Königs des Bieres, Gambrinus, eine Verballhornung von "Jan Primus" und eine schöne Überlieferung sollte man nicht ohne Not aus der Hand geben.


Im Übrigen: Die Biermarke "Hertog Jan" wird noch heute in Brabant und Limburg (NL) angeboten.

                                    


Der Herzog befleißigte sich selber als Minnesänger. An seinem Hof  waren deutsche, niederländische und französische Sänger tätig. Im Codex Manesse sind von Jan selber verfasste Minnesänge enthalten, angelehnt an französischen Mustern, in einer ins Hochdeutsche tendierende Sprache.*  Das bekannteste wohl:

Eens meien morgens vroege
Was ic opghestaan;
In een scoen boemgerdekine
Soudic spelen gaen.
Daar vant ic drie joncfrouwen staen,
Si waren so wale ghedaen,
Dene sanc voor, dander sanc na:
Harba lori fa, harba harba lori fa,
Harba lori fa!

Doe ic versach dat scone cruut
In den boemgardekijn,
Ende ic verhoorde dat suete gheluut
Van den magheden fijn,
Doe verblide dat herte mijn,
Dat ic moeste singhen na:
Harba lori fa, harba harba lori fa,
Harba lori fa!

Doe groette ic die alrescoenste
die daer onder stont.
Ic liet mine arme al omme gaen
Doe ter selver stont;
Ic woudese cussen an haren mont;
Si sprac: “Laet staen, laet staen, laet staen”.
Harba lori fa, harba harba lori fa,
Harba lori fa!

Mein Versuch:


Eines Morgens früh in Mai
Wollt' ich keine Zeit verlieren;
In der schönen Obstbaumwiese
Wollte ich mich verlustieren.
Ich sah bald drei Jungfern fein,
Schöner könnten sie nicht sein,
Sie standen wechselsingend da:
Harba lori fa, harba harba lori fa,
Harba lori fa!

Als ich die schönen Blüten sah
In der Obstbaumwiese,
Und hörte eh' ich's mir versah
Das Singen von den Mägden fein,
Könnt' ich glücklicher nicht sein,
Und sang im Einklang mit der Schar:
Harba lori fa, harba harba lori fa,
Harba lori fa!

Dann grüßte ich die allerschönste,
Die in ihrer Mitte stand.
Innig wollt' ich sie umschlingen,
Auf der Stelle, gleich, wo ich sie fand;
Ob sie aufs Küssen sich verstand?
Sie sprach: "Es wird und wird Dir nicht gelingen".
Harba lori fa, harba harba lori fa,
Harba lori fa!

( Jaap Hoepelman, Jan. 2022)

mit der kryptischen Zeile "Harba lori fa!", die als Okzitanisch (die Sprache der Troubadoure), Latein Herba flores facit’ , gedeutet wird, d.h. als eine erotische Anspielung: "Im Gras sprießen die Blümelein". Es ist bekannt, dass Herzog Jan eine Menge Blümelein hat sprießen lassen.
Das wiederum erinnert mich an das bekannte niederländische Volksliedchen, durch Hoffmann von Fallersleben ins Deutsche übernommen, in dessen Version leider die Erotik der Tugendhaftigkeit Platz gemacht hat:

De winter is vergangen
Ik zie des meis virtuut.
Ik zie die looverkens hangen,
Die bloemkens spruten in 't kruud.
In genen groenen dale
Daar is't genoeglijk zijn,
Daar zinget die nachtegale, 
End' zoo menig vogelkijn.

"Die bloemkes spruten in 't kruud." - 'Herba flores facit', - "Harba lori fa!". Ach so!
Das hat man uns in der Grundschule nicht beigebracht.

Hier Hoffmanns entschärfte Version:

Der Winter ist vergangen,
ich seh des Maien Schein,
ich seh die Blümlein prangen,
des ist mein Herz erfreut.
So fern in jenem Tale,
da ist gar lustig sein,
da singt Frau Nachtigale
und manch Waldvögelein.

Hertog Jans Fähigkeiten als Kämpfer wurden ihm zum Verhängnis. 1294 wurde er in Bar-Le-Duc in einem Turnier getötet. Er wurde in Brüssel bestattet, more teutonico, was mich auf eine morbide Art fasziniert. Sein Leichnam wurde gekocht? Wieso das denn?


* Frank Willaert "Niederländische Lyrik"

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     Willem Godschalck van Fockenbroch  1640-1670 Dichter sind Außenseiter. In diesem Blog haben wir sie kennengelernt: Piet Paaltjens , de ...