Sonntag, 1. Oktober 2023

Willem Wilmink, Kinderpoesie, Hans Elefant

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Willem Wilmink (1936-2003) schrieb für Kabarett und Fernsehen, war Sänger und Liedermacher, schrieb Kinderbücher und Kindergedichte, übersetzte aus dem Deutschen, Englischen, Französischen und Afrikaans, schrieb mittelalterliche Texte neu - ein echtes Multitalent. Er war ein technisch brillanter Dichter. Genau das, was wir jetzt als Unterbrechung brauchen nach vielen Värsen Trauer und Trübsal, Melancholie und Metaphysik. Ich habe seinen "Jan Olifant" in der Übersetzung ein klein wenig den schlandschen Umständen angepasst. Ich liebe "Jan Olifant" als wunderbares Beispiel für die niederländische Kinderpoesie, die doch ein wenig ... anders ist.


  Hans Elefant


Nach „Jan Olifant“ von Willem Wilmink 

Ihr lieben Kleinen, hier in Schland,
Das Leben von Hans Elefant
Wird jetzt, bis ins Detail belegt,
Von Doktor Hoepelman verlegt.
Es geht hierbei nicht um Gewinn,
Nicht Geld hat Hoepelman im Sinn.
Nein, nein, nur Sittsamkeit und Tugend
Der allerliebsten schlandschen Jugend.

Hans Elefant, das glaube mir,
War echt ein riesenhaftes Tier.
Das größte Tier im Zirkus Knie
Litt oftmals an Melancholie.
Das ist, wenn übergroße Tieren
Lebensfreud und -lust verlieren.

Keiner, der das so traurig fand
Als unser Hans, der Elefant:
    „In der Piste klein gehalten,
Kann sich kein Elefant entfalten.
Ich will im Zirkus Knie nicht sein,
Will in die weite Welt hinein.“
In der von Knie verkannten Lage
Hörte niemand Hansens Klage,
Bis, unter Beifall und Applaus,
Auf Musik von Johann Strauß,
Der Elefant den Ausgang fand,
Den Hintern zeigte und verschwand.

      Hans trabte keuchend durch die Gassen,


Hier konnte man ihn nicht mehr fassen.
Im Stadtpark setzte er sich hin,
Dann kam ihm plötzlich in den Sinn:
„Der Park ist gar nicht überdacht,
Ich brauch `ne Bleibe für die Nacht!“ 


Doch da kommt Rettung in der Not,
Die Heilsarmee in Schwarz und Rot.
Es wird gesungen und gepfiffen,
Hannes ist zutiefst ergriffen.
Ein Bett und eine alte Hose
Hat die Armee für Obdachlose.
„Ein feste Burg“ klingt aus, und dann
Schließt unser Hans sich denen an.

Wochenlang ging es ihm gut,
Man gab ihm Essen, einen Hut,
Mit dem er überglücklich winkte,
Und dabei die Tür ausklinkte


Und gestärkt durch's Evangelium
Sah sich nach einer Bude um.

Die Wirtin, in den besten Jahren,
Liess vor Schrecken einen fahren
Und rief: “Ich hab‘ nur Herren hier,
Vermiete keinem Rüsseltier.“
„Gnä Frau“, sagt Hans, „Sie seh'n nicht gut.
Kein Rüsseltier trägt einen Hut“.



Das stimmt. So wird er angenommen,
Bekommt anständig Unterkommen.
Die Wirtin hat sich abgeregt:
„Er ist ein Herr der Rüssel trägt.“ 

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Durchfall hat der arme Tropf,
Sitzt immer wieder auf dem Topf.
Beim kleinsten Pupser, müsst ihr wissen,
  Hat er sich gleich vollgesch…

Schon klingelt es. Ein Polizist,
Der mit dem Zweck gekommen ist,
Zu prüfen, ob wer da so spritzt
 Den Personalausweis besitzt.
 Doch leider ist dem Elefant
Der Ausdruck völlig unbekannt.
Ein Personalausweis? Wieso? 
Am Kopf nicht. Ob vielleicht am Po?
Nicht ohne Zirkuseleganz
Dreht sich Hans in Richtung Schwanz.
Doch die Ermittlungen ergeben
Nur ein mittelschweres Beben.     

         Mit einem Knall der Scheiben sprengt
Wird der Schutzmann angesengt.
Halt! Sie begehen ein Verbrechen…“
Der Kommissar will weiter sprechen,
Doch keiner hört den Polizeihauptmeister,
Geschmort im Elefantenkleister.

Ich bin nicht sicher ob du weißt,
Dass, wer eine Amtsperson bescheißt
Oftmals bestraft wird auf Bewährung,
Sozusagen zur Belehrung,
Doch wer Pech hat mit dem Richter
Geht auf Jahre in den Trichter.

Hans Elefant erging es schlecht.
Streng sprach Herr Schräg, der Richter, Recht:   
„Ähem! Dies ist ein freies Land,
Sogar für einen Elefant.
Sich persönlich einzukoten
Ist im Gesetzbuch nicht verboten.
A A auf einen Privatier
Ist erlaubt laut BGB.
Nur: Strengstens zu bestrafen ist
Dünnpfiff auf einen Polizist.“

 Ein ganzes Jahr gesiebte Luft,
Anstaltsfraß und Abortduft.
Gerne mag an großen Tieren
Man Exempel statuieren.

Neue Freunde gab es bald,
Knastbrüder in der Haftanstalt.
Da gab es Heinz, den Panzerknacker,
Und Barnabas, den Software-Hacker,
Und auch die Brüder Zollerning
Drehten schon so manches Ding.
Verurteilt für Erbschleicherei
Ist eine Gräfin mit dabei.
Solch kriminelle Energie -
Das gab es nicht im Zirkus Knie.

Im Hof trafen sich Gangsterrunden,
Fluchtpläne wurden bald gefunden.
Man würde…doch ich schweige still,
Weil ich noch länger leben will. 

In den Nachrichten, um acht
Wurden diese News gebracht:
„Aus der Anstalt Oberkochen
Sind Verbrecher ausgebrochen.
Alle wurden schnell gefasst,
Das Personal hat aufgepasst.


 Nur Loxodonta Indicus
Vor dem man sich sehr hüten muss
(Auch genannt „die alte Falte“),‏
Wurde vom Zaun nicht aufgehalten.

Wieder trabt nun Hans dahin,
In den Süden zieht es ihn.
Das ist ein Gangsterparadies,
Dort gibt es jede Menge Kies.
Falscher Adel und Halbseiden
Müssen keinen Mangel leiden.

Chancen gibt es dort zuhauf,
Z.B. für den Kunstverkauf.
Ein Originalimpressionist,
Wenn man Finanzberater ist.
Für die betuchte Haute Volée
Eröffnet Hans ein Atelier.
Rembrandt, Spitzweg, Albrecht Dürer,




Bildhauwerke für den Führer.
 Große Kunst in Öl auf Leinen,
Großformatig und im Kleinen:
Von Töpfertisch und Staffelei,
Für jeden ist etwas dabei.

Jetzt also, durch Kitsch und Tand
Wird Hans ein reicher Elefant,
Besucht mit Regelmaß die Bank
Mit wohlgefülltem Panzerschrank.

Das Personal ist sehr beflissen,
Trotzdem wird Hans angeschissen.
Hans ist nicht dumm, er spürt sehr wohl -
Leer ist die Freundlichkeit und hohl.

Abends liegt er dann allein,
Schläft vor Traurigkeit nicht ein.
Das Leben hat so keinen Sinn,
So ohne Elepartnerin,
Elefrau mit Hirn und Herz,
Kumpelin im Faltennerz,
Um zu teilen sich die Schüssel
Und zu schlafen Rüss- an Rüssel.

„Fantin sucht Fant“: Im Abendblatt
Gibt es Inserate satt,
Doch im trüben Einerlei
Ist die Eine nicht dabei.
Doch dann, an einem Sonntagmorgen,
Hat‘s ein Ende mit den Sorgen:
„Elefrau, noch jung in Jahren
Sucht Elemann, gern auch erfahren.
Nur bei echtem Interesse
Schreib an diese Postadresse.“ 

 Nichts, das jetzt den Hans noch hält.
Er schreibt umgehend und…gefällt.
Und nach einem Probejahr
Sind sie und er ein Elepaar.

Sie leben meistens sorgenfrei,
Auch Fantilein sind bald dabei
 Und beim Besuch im Zirkus Knie
Schaut sie auf ihn und er auf sie.

              Die zärtlichste Beziehungskiste
Fing an in einer Zirkuspiste. 




                                                  
Übersetzung Jaap Hoepelman 2014

Focquenbroch. Ein böser Bub aus dem 17. Jahrhundert, oder Fumus Gloria Mundi

     Willem Godschalck van Fockenbroch  1640-1670 Dichter sind Außenseiter. In diesem Blog haben wir sie kennengelernt: Piet Paaltjens , de ...