Das Lied der törichten Bienen ist ein Klassiker der niederländischen Poesie. Die Sprache ist manchmal exaltiert, aber bleibt trotzdem in der Nähe der Umgangssprache. Das Gedicht ist dermaßen mit Bildern, Metaphern und Assoziationen aufgeladen, dass es viele Generationen Niederlandisten in Lohn und Brot gehalten hat. Das Gleichnis der Bienen geht sowieso zurück bis auf die Antike, wie das des Dichters, der bis zur Selbstvernichtung das Höhere anstrebt. Das Reimschema, eine Verkettung a-b-aa, b-c-bb, c-d-cc , usw., wie aneinander geschaltete Glieder einer Kette erinnert an die "Scala Naturae", "die große Stufenleiter der Natur". Aufstieg und Fall des Ikaros! Zu dicht an die Sonne geraten! Der fallende Schnee, der ewige Kreislauf der Natur, des Weltalls meinetwegen...
Martinus Nijhoff (1894-1953)
1925
Das Lied der törichten Bienen
Ein Duft von höhrem Seim
verbitterte die Blumen,
ein Duft von höhrem Seim
trieb uns aus unsrem Heim.
Der Duft, und leises Summen,
im Himmelblau gefroren,
der Duft, und leises Summen,
ein stetig früh Verstummen
riet uns, Gedankenlosen,
die Gärten aufzugeben,
rief uns, Bedenkenlosen,
zu rätselhaften Rosen,
weit weg von Volk und Leben,
auf Abenteuer aus,
weit weg von Volk und Leben,
jauchzend hinauf zu schweben.
Niemand stellt von Natur aus
sich seinem Trieb entgegen,
niemand hält von Natur aus
leibhaft den eignen Tod aus.
Stets heftiger erlegen
und strahlender erleuchtet,
stets heftiger erlegen
dem Zeichen zu begegnen
stiegen wir, entfleuchend,
entführt, verklärt, entdorben,
stiegen wir, entfleuchend,
als Glitzerungen leuchtend -
Es schneit, wir sind gestorben,
heimwärts hinab gerieselt -
es schneit, wir sind gestorben.
Es schneit auf unsrem Korbe.
Übersetzung Jaap Hoepelman
Oktober/November 2020