Sonntag, 22. Dezember 2024

Gerrit Achterberg: Thebe


          Gerrit Achterberg
              1905 - 1962

Thebe

(1940)

Mit Leben ausgerüstet für uns beide,
habe ich mich in die nächtlichen Gänge begeben,
die zu Dir leiten.
Der Bau unter der Erde trug
eine Stille, die nur mit Widerstreben
meinen Schritt ertrug.

Die Mauern standen wie gesättigt
von rauem Schimmel; Luft und Licht,
für alle Zeit beschädigt,
laugten mich aus; der Wunsch allein
bei Dir zu sein im Endgericht,
hielt mich auf den Beinen.

Das Labyrinth verlief in Rillen
im immergleichen, blinden Ring
Um Deinetwillen?
Ich weiß nicht mehr, wie lang ich ging.
Wie trugen die, die Dich begruben,
soweit ein Ding?

Bis meine Füße auf Dich stießen:
Aus absoluter Finsternis
sah ich, wie Deine Augen wurden aufgerissen;
Deine Hände konnte ich nicht heben,
ich fühlte, wie sie am Leben streichelten,
das schlagartig in mir ragte;
Dein Mund, im Tod vergangen, fragte.

Sprache, für die es keine Zeichen gibt
im diesem All
verstand ich jetzt zum letzten Mal.

Doch mein Atem reichte nicht mehr weit
ich flüchtete in mein Gedicht:
Nottreppe in das Morgenlicht,
erbleicht, weit vor der Zeit.


Übersetzung Jaap Hoepelman, Dezember 2024

Thebe

"Thebe" ist das Titelgedicht eines Gedichtbandes mit 40 Gedichten, das 1941 erschien, als Achterberg in einer psyciatrischen Einrichtung verpflegt wurde. Die Orfeus-Thematik der Rettung der Geliebte aus der Unterwelt, in Achterbergs Oeuvre sehr prominent, finden wir in diesem Blog z.B. im zweiten Sonett der "Ballade vom Gasfitter", in der der Gasfitter in einem feuchten Verlies versucht seinen Fehler wieder gut zu machen.

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