Donnerstag, 10. Februar 2022

Van Maerlant, die Wunder der Natur. Die Tierwelt.

 

       Jacob van Maerlant, um 1230 - 1290

Ausführlicher über van Maerlant habe ich hier. berichtet.
Van Maerlants Text in der "DBNL" findet man hier.
In "Der Naturen Bloeme" blättern kann man hier


Zu Maerlants Zeiten besaßen die aristotelischen Lehrmeinungen höchste Autorität und Maerlants Abhandlung über die Wunder der Tierwelt fängt getreulich mit der Anrufung der aristotelischen Lehre über das Blut und die Gefäße bei den Tieren an. Nach Aristoteles sind die Insekten blutlos und so lehrt es auch van Maerlant. Es wird noch bis Swammerdam dauern, bis man zu einer anderen Auffassung gelangt.


Von den Tieren

Ich will beim Hergebrachten bleiben,
und die Tiernatur beschreiben,
die allen Tieren ist gemein,
danach von jedem Tier allein.
Hat allgemein ein Tier zwei Beine, 
oder vier, oder aber hat es keine,
(die hat Aristoteles im Sinn), 
hat es Gefäße mitsamt Blut darin.
Zwar haben manche Tiere mehr
als vier, die sind jedoch blutleer.
Dass man sich bitte nicht vertut:
Ich sprech' vom Blutgefäß und Blut.
Blut haben Würmer, wie man unschwer sieht,
Gefäße nicht. Das ist der Unterschied.
...
...

Nach einer ausführlichen Auseinandersetzung über die allgemeine Natur der unterschiedlichen Tierarten fängt van Maerlant zu guter Letzt mit A, wie Asinus, der Beschreibung des gewöhnlichen Esels an. Manchmal sind die Beschreibungen etwas länglich, deshalb werde ich mich für jedes Tier auf wenige Abschnitte beschränken, in der Hoffnung, auf diese Weise ausreichend lehrreiches Material für den Leser bereit zu stellen. Ich werde schrittweise vorangehen, die Übersetzungen in Teilen anfertigen  und hin und wieder nach Lust und Laune ins Netz stellen. Die Reime habe ich, wie van Maerlant auch, nach den lateinischen Tiernamen alphabetisch geordnet.


Der Esel

Der Esel im Zeichen des Kreuzes

“Asinus“ heißt “Esel“, wird uns beigebracht,

hässlich ist er, ungeschlacht,

groß der Kopf, die Ohren lang

und sehr langsam ist sein Gang:

Eine halbe, magere Portion.

Am Rücken aber steht das Zeichen der Passion,

weil der Herr uns Demut hat gelehrt

auf dem Eselsrücken, nicht auf einem Pferd.
...
...

 Der Biber

Der Biber bei einer  typischen Tätigkeit

Als Castor ist er auf Latein bekannt,

Biber wird er hier genannt.

Castorium, die Hoden auf Latein,

sind wirksam gegen Zipperlein.

Deswegen wird ihm nachgestellt.

Fühlt er sich zu sehr umstellt,

dann, wahrlich, beißt er diese ab,

dann lassen Jäger von ihm ab.

Jagt man ihn dann später wieder,

legt der Biber sich danieder.

Hier, zeigt er, gibt es nichts zu holen.

Wiederum heißt's bei den Polen,

die Hoden liegen drinnen, wie die Nieren.

Aber können solche Biber sich kastrieren?


Aus van Maerlants Beschreibung des Dachses geht klar hervor, dass auch die heutige alternative Heilkunde mittelalterliches Wissen zu ihrem Vorteil anwenden könnte. Meine Übersetzung konzentriert sich deswegen auf die heilkräftige Seiten des kleinen Raubtiers. 


Der Dachs

Linke und rechte Pfoten eines Dachses sind ungleich lang

Dachs heißt Daxus auf Latein,

vom Dachsenfett wird meine Rede sein.
...
...
Das Fett des Dachses kommt und geht, 

weil's mit dem Mond im Wechsel steht.

Zerlegt man ihn bei Neumond um sein Fett,

so stellt man fest: Fett fehlt komplett.

Dachsenfett gibt wirkungsvolle Salben

für kranke Glieder allenthalben.
...
...
Aesculapius der Weise

empfiehlt den Dachs in dieser Weise:

Mit seinem Fett sind Glieder einzustreichen,

dadurch wird jedes Fieber weichen.

Schambeschwerden werden flugs gemindert,

und durch Hirn, gekocht in Öl, verhindert.

Dachsenblut und Salz auf Glieder aufgetragen

schützen den Mann an dreien Tagen:

Keine Krankheit wird ihn plagen.

Gesottenen Hoden in Honig, hört man sagen,

genommen auf den leeren Magen,

sollte kein verschnupfter Mann entsagen:

Drei Tage krank, und dann, wie immer,

spielt er das Spiel der Frauenzimmer.



Das Elfentier



Elephas heißt Elefant.

Elfentier wird's auch genannt.

Groß und stark ist dieses Tier,

den langen Schnabel sieht man hier.

Den Schnabel braucht der Riese auch,

es geht nicht ohne diesen Schlauch.

Will es fressen oder saufen, dann

käm' es sonst an nichts heran.

Jakob von Vitry, uns wohlbekannt,

sagt wie er kämpft, der Elefant:

Mit dem Schnabel in der Schlacht

hat manchen Feind er totgemacht.


Nicht nur die Biologie des Elefanten ist interessant. In der Heilkunde findet das Elfentier ungeahnte Anwendungen.


Lange Zähne hat das Elfentier


sie stechen raus, so lesen wir.


Krumm und lang 2 Cubitus,


man verbrennt sie gern zu Ruß.


Aus gebranntem Zahn sodann,


macht segensreiches Pulver man,


Medizin, die wertvoll ist und gut, 


Durchfall stoppt und Nasenblut.


Monatsbluten stillt der Zahn im Nu,


Hämorrhoiden macht er zu.


Und hilft einmal die Kur dir  nicht,


trink es mit Saft vom Wegerich.



Wenn es um Moral und Sitte geht, kann der Elefant dem Menschen als Vorbild dienen:



Aristoteles macht klar,

 

ein Elfentierenpaar im Jahr


tut es 2 Mal miteinander,


2 lange Jahre nacheinander.


Dann, in größter Heimlichkeit,


treiben schamhaft sie's zu zweit.


Haben beide sich vereinigt,


wird sich in einem Fluss gereinigt,


damit ein jedes sauber werde.


Erst dann geht es zurück zur Herde.


Die Tiere leben treu zu zweit,


kein Überspiel führt je zum Streit.


O Mensch! Welch höfische Manieren


bei solch plumpen, tumben Tieren!

Hans Lodeizen. Der Perk der Fünfziger...?

Hans Lodeizen 1924 - 1950 Hans Lodeizen war der Sohn des Präsident-Direktors der Rotterdamer Reederei Müller&Co* und war als solcher...