Freitag, 25. Februar 2022

Frieden

 

Leo Vroman (1915-2014)


Am 10. Mai 1940 nahm Leo Vroman (1915-2014) ein Taxi von Utrecht, wo er Biologie studierte, via Gouda, wo seine Eltern wohnten, nach Scheveningen. Er flüchtete weiter in einem Segelboot nach England. Von dort ging es nach niederländisch Indien (jetzt Indonesien), wo er nach dem japanischen Übergriff in verschiedenen Lagern interniert wurde. Nach anschließender Zwangsarbeit in Japan führte ihn das Ende des Krieges nach Manila. Als die niederländische Regierung ihn im Rahmen der militärischen Aktionen nach der Befreiung Ost-Indiens zurück nach Indien schicken wollte, hatte Vroman endgültig genug und zog weiter in die USA. Später nahm er die amerikanische Nationalität an. Trotzdem verfasste er Poesie und Prosa meistens auf Niederländisch. Zurück wollte er aber nie: Lieber Heimweh als Holland, schrieb er. Sein Stil versachlichte sich zu einer raffinierten Schlichtheit - insbesondere mit  zunehmendem Alter - , was beileibe nicht heißt, das seine Dichtung ohne Gefühl gewesen wäre. Menschlichkeit, keine Übertreibung, keine Anstellerei und zunehmend alltägliche Umgangssprache, gerade dadurch wirken seine Emotionen. Darüber hinaus verfügte er über eine gute  Portion Witz.
 In New York arbeitete er als Hämatologe und er betrachtete sich selber in erster Linie als Wissenschaftler. Der "Vroman Effektist nach ihm benannt.
Vroman wird als einen der prominentesten Dichter der neueren niederländischen Literatur betrachtet und er wurde mit allen nur denkbaren Auszeichnungen bedacht.
Das Taxi, von dem eingangs die Rede war, tritt in einem seiner bekanntesten Gedichte, "Frieden", auf.


 

Edith Hoepelman. Die Friedenstaube.

Frieden
(1954)

Kommt 'ne Taube, hundert Pfund,
den Olivbaum in den Klauen,
mir zu Ohren mit dem Mund
voller Chöre süßer Frauen,
voller gurrender Berichte
wie der Krieg verschwunden ist
hundertmalige Geschichte:
alle Male weine ich.

Seit ich mich so unvermittelt
in ein Taxi hatt' geschmissen,
dass in der Nacht 
ich hinter mir
ein Loch hatte gerissen,
seit mein sanft betränter Schatz,
schamesrot in ihrem Elend brennend
stehen blieb, so blieb stehen,
 dass
ein Stein ihr ditschte in den Lenden,
bin ich zu dicht im dürren Fell
um in Gebeten aus zu schwitzen,
Falten knetend allenfalls,
und „Frieden“ knirschend, „Frieden, Frieden“.

Liebe ist ein fauler Zauber
kopfloser Wolllustigkeiten,
geht mein Leben ohne
Frieden, gottverdammich, Frieden weiter;
denn der Laut hat mich zerrissen
als ich musste von der Liebsten scheiden
und mich aus dem Bett geschmissen
wo wir manchmal träumen beide,
dass der alte Waffengang nunmehr
wiederkehrt auf filznen Füßen,
dass wir, eigentlich schon nicht mehr
könnend alles, weiter müssen
liegen, rennen, nebenbei
sich schreiend in die Ohren
so verzweifelt, dass wir eben
träumen uns dabei zu hören

Darf ich nicht fluchen, wenn das Feuer
einer Stadt, die längst neu aufgebaut,
lodernd rollt aus dem Gemäuer
und lichterloh den Schlaf mir raubt?
Doch das frischgeschmorte Kind,
abgefackelt, ist es nicht,
das ich furchtbar, furchtbar finde:
es ist die Zeit, wo nichts geschieht
nachdem auf einen Schlag im Haus,
ein Turm zustande kam aus Dreck,
aus längst vergessenem Kellermoder,
bald vergammeltem Inventar
blutroten Flammen und flammend-
rotem Blut, ringsherum die Luft behangen
mit lebendigen Teilen von toten doch
lieben Leuten, die ewige Stille bevor
das erstaunte Kind in dieser Säule
erwürgt wird und die Ärmchen hochstreckt.

Komm heut' Abend mit Geschichte,
wie der Krieg verschwunden ist,
hundertmalige Berichte:
Alle Male weine ich.

Vrede

Übersetzung  J. Hoepelman 2014 

Hans Lodeizen. Der Perk der Fünfziger...?

Hans Lodeizen 1924 - 1950 Hans Lodeizen war der Sohn des Präsident-Direktors der Rotterdamer Reederei Müller&Co* und war als solcher...