Dienstag, 12. März 2024

 


Frederike Martine (Fritzi) ten Harmsen van der Beek 1927 – 2009
Auch Fritzi Harmsen van Beek

Guten Morgen? Meine himmlische Frau Ping

Hat Ihnen die sanfte Nacht gefallen, haben die un
gezogenen, geheimnisvollen Pflanzen wie sich's gehört

geduftet und sind hoffentlich keine Euer Gnadens übrigen
Säuglinge an der Beulenpest verendet?

Haben Sie die interessanten, nervigen, gottgefälligen
Vögelein, meine fromme barmherzigende Dame, schon mal

begutachtet, eifrig am Telefon wie: Hallo, hier Pitt,
kommst du auf meinen Ast - oh, die quicken, lebendigen

kleinen Vögel, allesamt allesamt für die brave Katz,
die vielgeplagte traurige Mutter. Ja verdammt,

diese Krankheit, liebe bedauernswerte Dame,
ist ein gnadenloser Schelm und eins ist klar:

soviel kann man gar nicht werfen, wo sogar das
Bestatterwesen, dieser intime Hausfreund, dieser

wohlbekannte Schenker lauwarmer Milch auch,
mit den verlängerten Hinterpfoten mit dem

Unter-die-Erde-bringen kaum noch 
hinterherkommt, nicht wahr, Dame Ping, radarbeschnurrte,

doppelzipfelmützige, damenäugige Miezin?
Besser ist's jetzt zu sitzen ohne Wehmut in

der rohen duftenden Morgenluft, wo die Sonne noch
zärtlich ist und die Vorhänge lebendig im guten,

fröhlichen Wind. O halmluntige vorzügliche,
schau, schweigsame oberdoofe allerliebste,

da krabbelt ein ganz interessantes, ganz kleines aber
außerordentlich schmackhaftes Tierchen zwischen den Kieselsteinen

unter der himmelblauen Hortensie
(An meine traurige Mieze, zum Trost beim Verscheiden ihrer Brut).



In 1954 "kraakte" ("knackte" d.h. besetzte) Fritzi Harmsen van Beek mit Söhnchen Gilles und ihrem Bruder Hein den zerfallenden Landsitz Jagtlust, im Dörfchen Blaricum, in bequemer Reiseentfernung von Amsterdam, lange bevor das Häuserknacken in Amsterdam Einzug hielt, ausgelöst durch die rabiate Modernisierungs (d.h. Zerstörungs) -politik der Gemeinde bei heftiger Wohnungsnot. Es war wohl ein Akt der Verzweiflung nach ihrer gescheiterten Ehe mit dem Französischen Grafensohn Eric de Mareschal le Font St. Margeron de la Fontaine. Weder die französische noch die (finanzstarke) holländische Seite unterstützten sie in ihrer Zwangslage. Nach dem Tod der Eltern verprasste sie dafür das elterliche Kapital in Rekordtempo. Aber Jagtlust mutierte eben so rasch zu einem zentralen Treff der Amsterdamer Künstlerszene. Die Gemeinde Amsterdam (in Gestalt eines Beamten, Vater eines ihrer Dichterfreunde) hatte nämlich Jagtlust zu einem kleinen Preis erworben und Harmsen van Beek als Hausverwalterin angestellt zu einer Jahresmiete von 1,- Gulden mit dem Recht das Erdgeschoss zu vermieten. Das war wie ein zündender Funken für die Amsterdamer Künstlergemeinschaft. Der zerfallende Landsitz, die romantische Umgebung mit echten Bauern, die auf der Scholle ihrem edlen Beruf nachgingen, die großzügige Verwalterin, für die Geld keine Rolle zu spielen schien, die Möglichkeiten mit dem Leben und mit der Kunst zu experimentieren - es war als ob der Propfen der Flasche, in der der Trübsal der Kriegs- und Nachkriegsjahre lange gegärt hatte endlich rausgeflogen war. Zeitweilig hatte es den Anschein, dass das Kulturelle Leben Amsterdams vom Leidseplein nach Blaricum umgesiedelt war. Die Schriftstellerin Annejet van der Zijl führte in ihrem 1998 erschienenen Buch Jagtlust Interviews mit 61 damals noch lebenden Persönlichkeiten des Kulturbetriebs über die Zeit auf dem Landsitz. Eine Art Who-Is-Who der Kunstszene. In dieser Atmosphäre  dichtete und zeichnete Harmsen van der Beek. Der Schriftsteller Hugo Claus meinte sogar, dass ihre Gedichte zu den wichtigsten niederländischen des 20. Jahrhunderts gehörten. Sie veröffentlichte nur wenig, dafür wurde ihr erster Gedichtband "Geachte Muizenpoot en achttien andere gedichten" (1965) unmittelbar zum großen Erfolg. Ihre Leserschaft sehnte sich offensichtlich nach dem Ende der Überlieferung und nach einer Befreiung, wie sie bei Harmsen van der Beek und in der Poesie der Fünfzigern zum Ausdruck kam. Die ungebundene Kolonie in Blaricum war eine Art Vorstufe der eingreifenderen Veränderungen, die dann in den 60-ern stattfanden, wie z.B. auch Leben und Werke der Anna Blaman. Tatsächlich war dieser Prozess 1965 schon weit fortgeschritten. Die Künstlergemeinschaft war älter und reifer geworden und blieb weg, Jagtlust war inzwischen zur reinen Bruchbude verkommen, bewohnt von unzähligen Katzen, wozu Madame Ping vermutlich auch gehörte. Die Gemeinde Amsterdam wollte die Ruine wieder los werden, Harmsen van der Beek sprach dem Alkohol zu sehr zu, ihr Verbleib in Jagtlust war untragbar geworden. 1971 zog sie nach Garnwerd, ein Dorf in der Provinz Groningen, weit weg vom Amsterdamer Trubel, wo Freunde ein kleines Haus für sie gekauft hatten, in dem sie gratis wohnen konnte und wo sie sich immer mehr zurück zog, ihre letzten Jahre überschattet durch den frühen Tod ihres Sohnes und ihres Bruders.

Landsitz Jagtlust

Veröffentlichungen ter Harmsen van der Beek


Übersetzung Jaap Hoepelman März 2024

Focquenbroch. Ein böser Bub aus dem 17. Jahrhundert, oder Fumus Gloria Mundi

     Willem Godschalck van Fockenbroch  1640-1670 Dichter sind Außenseiter. In diesem Blog haben wir sie kennengelernt: Piet Paaltjens , de ...