Donnerstag, 23. März 2023

Nijhoff: Het Uur U - Die Stunde Null

 Afbeeldingsresultaat voor willink schilderij


(Carel Willink. De Jobstijding)

"Die Stunde Null"- "Het Uur U", ist Nijhoffs zweites episches Gedicht, nach Awater. Es wurde 1936 geschrieben und erschien in 1942, und danach in verschiedenen Drucken während des Krieges. "Het Uur U" - "Die Stunde Null" ist ein Kriegsausdruck, vergleichbar mit "L'heure H" , "H-Hour", "D-Day", der Augenblick an dem die unwiderrufliche Entscheidung fällt. Kriegsdrohung lag in der Luft in 1936. Aber alles entscheidende Augenblicke gibt es nicht nur bevor ein Krieg ausbricht, sie können auch stattfinden im Leben einer Gesellschaft, einer Straße oder im Leben eines einzelnen Menschen. Es ist, als ob Rilkes Apoll an uns appelliert: "Du musst dein Leben ändern", oder Nijhoffs Soldatin der Heilsarmee in Awater. "Wir leben" sagt sie "unser ganzes Leben falsch.". Die Zeit steht still, man hört Wasser und Strom in den Leitungen...Aber der Moment kommt nicht. Noch nicht. Der Augenblick der Läuterung, der Epiphanie, geht vorbei und der bürgerliche Alltag, mit gedeckten Tischen, Porzellantellern und Servietten kehrt wieder ein. Nur bei den Kindern braucht es etwas länger, bis die Ordnung wieder hergestellt ist. Alles in Ordnung also? Die ungepflanzten Bäume sind wie ein Wald voller ungenutzter Chancen und die Stunde Null endet mit einem Seufzer nach dem unerreichbaren Paradies.

Die Stunde Null

Für St. Storm

Es war Sommertag.
Ausgestorben lag
die Straße, sengend in der Sonnenglut.
Um die Ecke kam ein Mann; ein gutes
Stück weiter auf dem Trottoir
spielten Kinder; winzig wie sie war
spielte die Gruppe keine Rolle,
machte die Straße keineswegs voller;
jetzt erst recht verlassen,
war sie der Sonne gänzlich überlassen.
Sogar solche, die die Natur spazieren
schickt, zu dieser Stunde und hier,
der Student, die Dame, die niemand kennt,
der Lehrer in Rente,
gingen heute nicht den normalen Gang
der vertrauten Straße entlang.
Ja sogar der Grundarbeiter,
arbeitete nach drei nicht weiter
die Grabarbeit im Mittelstreifen
für die Bäume ließ er bleiben,
und den Spaten einsam stehen
um schleunigst sonst wohin zu gehen.
Doch fremder, ja über die Maßen
fremder als dass die Straße
leer war, war das beim schnellen Gang
völlige Fehlen von jeglichem Klang;
dass mit seinem Schritt der Mann,
der jetzt um die Ecke kam
diese Ruhe gar nicht störte,
im Gegenteil, dass tieferes Nicht-Hören
eintrat mit jedem Tritt,
gehend in gestrecktem Schritt.
Kein Dieb und kein Spion beim Schleichen,
übertraf das, was er mühelos erreichte
und das flügelbewährte Leder
von Gott Hermes, auf dem er
von seinem Gipfel pflegte zu reisen
durchkreuzte den Raum nicht so leise
wie es der Mann auf dem Straßenbelag
in normalem Schuhwerk tat.
Er erzeugte auf dem Trottoir
das unheilverkündende aber unhörbar
in den Himmel geschossene Gerücht
eines abgefeuerten Fliegerberichts;
aus einem Wölkchen platzt Licht,
das zum Stern auseinander bricht,
und dem ganzen Frontabschnitt entlang
weiß es nun jedermann:
dies meldet die Stunde Null,
jetzt wird es beginnen, nun
ist vorbei die Unsicherheit
der mir vorgesehenen Zeit,
jetzt ist es für alles zu spät.
Die Stille, die dabei entsteht
ist Stille nicht der Form nach nur,
eine Stille vor dem Sturm,
sondern eine Stille in der man
Dinge hören kann
die das Ohr noch nie vernahm.
So auch hier. Als der Mann kam
und in gestrecktem Pass
voranschritt, fing man an das Gas
in den Rohren unterm Haus
zu hören, und wie Wasser rauscht
in der Kanalisation und einen funkenden Summerton
im Draht zum Radio und Telefon,
als wären Bienen in der Gegend.               
Hinter den Vitragen nichts, das sich regte.
Für gewöhnlich, wenn hier jemand geht,
wird mit großem Interesse gespäht:
Vorsichtig schiebt man mit den Händen
Vorhänge zur Seite, denn
jeder Vorbeigänger ist
hier ein ziemliches Ereignis.
Gab's nichts zu sehen
an ihm? - War es ein Versehen
weil alles schlief,
oder dass er so leise lief,
dass hinter keinem Vorhang einer schaute?
Nein,  nein, jedes Fenster war ein Auge,
war das zugeschobene Augenlid
einer Eule, die auf einem Wipfel sitzt
und regungslos auf ihrem Ast
spähend jede Regung erfasst.
Diese absolute Stille dann,
fing wie Musik zu zittern an.
Panik ist ein großes Wort,
aber es beschreibt, wie dort
in diesem Augenblick die leere Straße
ein ungenannter Schrecken erfasste.
Ein träges Wölkchen; eine im
Blauen entfaltete Insel am Himmel
bedeutete die Offensive, die
bevorstand; jetzt oder nie.
Hätte einer ein Fernglas erhoben
säh' er im Azur weit oben
einen Kreuzer, feuerbereit.
Freund oder Feind?
Nicht auszumachen, weil
Flaggen gehisst auf dem Schiff waren keine.
So trug auch dieser Mann nicht das kleinste,
womit man sonst den einen Mann
vom anderen unterscheiden kann.
Und auch die Musik sang weiter, sie
wurde zur großen, schweigenden Polyphonie.
Denn seitdem Wasser und Gas
und das Summen die Stimme besaß
der elektrischen Spannung,
hatten auch Herzklopfen, und Erwartung,
und Gähnen und stille Hoffnung,
und Kreislauf, und Verzweiflung,
kurzum das immer Überstimmte,
in die ferne Hymne eingestimmt,
die, ob man wollte oder nicht,
immer klarer im Klang sich
aus der Stille heraussang.
Sehnsucht, erdrückt im Würgestrang,
ein Kind, im Brunnen erstickt,
ruft, wenn es plötzlich erschrickt
nach Spielkameraden in der Not.
Denn was tot ist, ist tot,
doch was ermordet ist, lebt fort,
lebt fortan ungestörter fort
als der, der unbehelligt weiterlebt.
Die Tat, nicht abgelegt,
verursacht Schaden mehr, als die vollbrachte Tat.
Als Gestorbener zu sterben, nach getaner Tat,
ist Gnade, doch wehe dem, der
Leben und Sterben
zugleich erleidet in doppelter Agonie:
Nichts überbrückt für ihn die Schlucht, die
Tod und Leben trennt.
Er ging, wie einer, der fast rennt
der Mann, aber nicht schnell genug,
als dass nicht jede Scheibe mit einem Hauch beschlug,
dem Atemhauch aus seinem Mund,
den er aufriss bis zum Schlund,
den er aufriss, sperrangelweit.
Doch Worte kamen nicht; zu gleicher Zeit
mit diesem unbenannten Pein
stellte mit der Musik sich ein
- wohlgemerkt, in einer Straße, die, wenn
es geht, den eigenen Kummer nicht erwähnt,
die, im Gegenteil, sich lustvoll breitmacht über Leid,
das das Leben anderen bereitet, -
wohlgemerkt, in einer solchen war's gerade,
wo hinter Fenstern und Fassaden
gesammeltes Stammeln sich
höllisch erhob, - zum x-ten
Male, jeder Schrei war geschmort -
als dieser höllische Akkord
dort in der heißen Luft vibrierend stand,
so, dass wer sich an diesem Ort befand
wohl ähnlich vorgegangen wäre,
- will sagen: fortgegangen wäre -
wie der Mann, der stehen ließ den Spaten,
der die Löcher hatte gegraben,
doch die Bäume nicht gepflanzt,
- als dort die Dissonanz
immer schrillere Spiralen schrieb
zur schuldlosen Wolke, die oben blieb,
schwimmend im unbewegten Meer, -
brachte die Musik noch viel mehr
mit sich (denn so ist Musik: sie spielt):
während mittlerweile das Bild
des unentwegt schreitenden Fremdlings
an den Häusern weiterging,
wurde jedem Sterblichen, der zugegen war
eine Vision gewahr
einer schier himmlischen Euphorie.
Da war einmal der Arzt, der die
Praxis in der Straße
erst dann angefangen hatte,
seit er als junger Assistent
ein grundlegendes Experiment
nicht weiter machte,
weil es höchstens trocken Brot einbrachte, -
ihn führte die wilde Musik
in das stille Klinikum zurück,
und er sah, wie er dort stand:
Gummihandschuhe, weißen Kittel an,
im Regal entlang der Wand
aus Glas, Glasur, Email, Metall, allerhand
klirrende, glänzende Sachen
die eine bessere Zeit versprachen. -
Auch der Richter hat sich wiedererkannt,
er trug nicht das Amtsgewand,
keine Robe, kein Barett und kein Jabot - nur
mit seinem Rechtsgefühl als Richtschnur,
getreu dem richterlichen Eid,
im Namen der Gerechtigkeit
hat er mit erhobener Hand
sich zur eigenen Schuld bekannt
und wen ungesühnt verbrochen
hatte, von der Sünde freigesprochen.
Die Dame wiederum, die niemand kennt,
das Luder, wie man sie auch nennt,
sah, wie sie wie Diana stand
ohne Bluse, nackt im Wald.
Und ein Hirsch ging für sie in die Knie,
als er kniete, kniete auch sie:
ihr bebte die Hand und ihr Auge strahlte,
als sie am lebendigen Wasser sich labte.
So gab es für jeden was,
für den dies, für die das.
Doch das reine Glück, das man erfuhr
dauerte Sekunden nur,
und wurde sofort wieder zerstört.
Gewissermaßen war man an Bord
eines rostigen Seelenverkäufers gelandet.
Im Wirbelsturm gestrandet
blickt man dem abgedrehten Rettungsboot
verzweifelt hinterher, so dass man in der Not,
wie es der Glauben gebietet,
Öl auf die Wellen gießt:
Einen Moment tritt Ruhe ein, Ruhe ungekannt:
das Schiff liegt regungslos, doch schon schlägt übers Want
die schwere See, mit Öl vermischt,
die Ölverseuchte Gischt
gerät ins Feuer, explodiert, das Wrack
voll faulem Wasser sackt
wie ein schlammgefüllter Prahm.
So sank, an jedem Fensterrahmen,
ein Mensch dem Spiegelbild
entgegen, dem eignen rettungslosen Bild.
O, das Öl war zwar vergossen
aber keineswegs vergeudet!
Einen Moment lang hat der Geist
in fernen Gestaden umhergeschweift
und war um dorthin zu gelangen
wie ein Kamel durchs Nadelöhr gegangen.
Und kam an in welchem Land?
Auf Erden.- Er war im eigenen Land gelandet. -
Wie ein Mond war die Hand, die sich träge
über die schweißnasse Stirn bewegte;
auch das glasige Auge blinzelte nicht,
dem Mond gleich, nicht dem Sonnenlicht.
Doch bald, ein Sturzbach, sich vom Eis 
befreiend, schoss das Blut,
schon schwamm hinweg auf dieser Flut
- wie nach Gewitter auf einem Fluss ein Baum
davonschwimmt - der Traum
über das eigene Geschick
fort aus dem Blick,
und atmete man auf, befriedigt,
wie nach dem Amen einer Predigt.
Der Geist, als er herunterstrich
aus diesem leeren Alles oder Nichts
und wiederkehrte in den Sarkophag
von Brot und fester Arbeit jeden Tag,
war froh, dass dieser Tod
ihm endlich Raum zum Atmen bot.
Er war, zurück im Fleische, müde zwar,
mehr als nur müde gar,
aber platt gesagt heilfroh dar-,
über, schwach wie es war:
Kein so großes Manko in der Kasse,
das in der Schlussbilanz nicht passte,
das man dem dämlichen Kollegen
nicht an die Backe könnte kleben.-
Doch schau her, der Kumpel saß
und schwitzte schon am Arbeitsplatz,
so dass der Geist, beschämt hinunter schauend
zu ihm zu gehen sich nicht traute,
ohne verräterische Tränen zu verdrücken.
Dieser aber wollte keinen Stuhl verrücken,
und blickte stur auf die Belege
ohne den Schreibstift aus der Hand zu legen.
Länger zu bleiben hatte keinen Sinn,
somit flog der Geist wieder hin
zum Ballungsort, azurn und leer
zwischen der Sonne und unserem Planeten.
Kurz schaute noch der Kompagnon
dem Reumütigen nach im Flug,
sann, sah in der Luft
eine Wolke, und dass da ging
noch immer dieser Eindringling,
noch immer dieser Mann
in der Straße, wo sein Lauf begann.
Es ist aber wohl ersichtlich,
- denn allmählich kam man wieder zu sich
aus dem tiefen, hypnotischen Bann,
und der Mann kam flott voran -
dass man ihn jetzt auf den Rücken
sah. Man war nicht unbedingt entzückt,
will heißen:
er wurde nicht gerade willkommen geheißen;
und wieso hätte man auch sollen?
Aber Gott sei Dank schien er weiter zu wollen.
Es hatte immer mehr den Anschein,
man würde ihn bald los und von ihm erlöst sein.
Und als er fortschreitend Land nahm,
und die Wahrscheinlichkeit zunahm,
gab die ganze Straße, allesamt und jeder alleine
- bis auf einen,
für den Aufmerksamen ist klar,
dass es der Richter war, -
gab, ausgenommen der Richter, dem Mann,
die ganze Straße alsdann,
- sit verbo venia, dieses Wort mag erlaubt sein, -
das heilige Kreuz beherzt hintendrein.
Aber wie so oft zuvor
pries man den Tag bevor
es Abend war -
wofür dann Lehrgeld zu entrichten war.
Der Mann hatte ja die Straße
immerhin noch nicht verlassen.
Flach an der Scheibe, das Vitrage-Netz
blutrot, tief in die Stirn gepresst,
konnte man noch sehen wie er ging.
Als auf einmal etwas vor sich ging,
das der Straße die Sprache verschlug
und Schaudern in die Herzen trug.
Kochend vor Wut, die Faust geballt und leichenblass
schaute man auf das Entsetzliche, das
da unten vor sich ging.
Der Mann, der unbeirrt weiterging
hatte das Grüppchen auf dem Bürgersteig,
die Kinder, die dort spielten, erreicht. -
Oft ist es gar nicht, was es scheint,
was die Kinder im Spiel vereint:
Oft stehen sie ja nur herum
und geht es um
die Wörter selbst, und das Vergnügen,
Wörter einfach zusammen zu fügen.
Dass von der kleinen Viererschar
eins ein kleines Mädchen war,
war etwas das erst auffiel
wenn der Blick darauf fiel,
ihr Matrosenhemdchen, wie beim Schotten,
weitete sich zum Faltenrock.
Einer der Buben stand voller
Stolz auf einem Roller
und er zeigte, dass dieser sogar
mit Richtungsanzeigern versehen war.
"Das macht es nicht zum Automobil" sprach klug
der größte, der einen Knickerbocker trug.
"Von Autos gesprochen", meinte
er noch mitleidig, "habt ihr denn etwa keines?" -
Das Mädchen legte das Bein mit einem Schlenker
über den vernickelten Lenker,
- alles an ihr war Natur:
die Haare und die Bubifrisur,
ihr Stupsnäschen leicht gebogen -
ein Kind, noch nicht zum Benimm verbogen,
"das ist mir bei meinem nie geglückt",
sprach sie und schwang das Bein zurück.
Die Hände, fachmännisch hinterm Rücken versteckt
- im Badeanzug, wo hatte er sie hingesteckt? -
rief der kleinste: "Klingelt die Klingel?"
Die Klingel klingelte.
Und er: "Na also,
Klingeln gibt es nicht am Auto."
Der Besitzer aber wurde nicht müde
und ließ mit erstarrten Zügen
die Richtungsflügel auf- und zugehen.
Einem Wunder kann keiner widerstehen.
Alle blieben schweigend stehen, etwas betreten,
dann aber kam der Mann herbei getreten.
Es gibt ein viel geliebtes Spiel
von Kindern, die
es nennen "schattentreten".
Es geht ein Mann. Auf seinen Schatten treten
Kinder. Für gewöhnlich machen sie zwei
Schritte, und er einen.
Es ging durch Mark und Bein,
Es war herzzerreißend, in einer Reihe
das Grüppchen auf dem Steig
mit dem Fremden gehend
davon hüpfen zu sehen.
Es schnitt, schnitt einem durch die Seele.
Knickerbocker und Matrosentracht
tanzten, wie ein junges Paar, einträchtig
Seite an Seite,
haltend an den beiden Seiten
die beiden anderen an der Hand:
Der Badeanzug kam ohne Schuh gerannt
und ohne zweiten wohl auch bald
aber der Matrose im Faltenrock half,
während neben dem Knickerbocker
der Besitzer vom abgestellten Roller
soviel er konnte sich beeilte.
Es war höchste Zeit: Kein weiteres Verweilen
bis dies nicht ein Ende nahm.
Aus den Häusern kam
der scharfe Klang
von Klopfen auf Scheiben den Fassaden entlang,
als riefen aufgedrehte Hennen die Küken zurück in den Stall.
Die Kinder hörten nicht. Was war der Fall?
Gerade war etwas vor sich gegangen
und hielt sie für den Augenblick gefangen.
Der Schatten hielt ein. Sie blickten auf
und nahmen unverzagt den Fremden auf.
Ernst schaute er von wo er stand,
der Kopf ihnen halb zugewandt.
Verdutzt waren sie nicht,
aber hielten an den Händen sich
tapfer fest. Wie Däumlinge standen die Kleinen
und schauten auf die Kieselsteine.
Es war eine Minute vielleicht,
aber sie dauerte eine Ewigkeit.
Dann tat der Mann noch einen Schritt
mit seinem sonderbar gestreckten Tritt
und in wenigen Sekunden
war er um die Ecke verschwunden.
Sofort öffneten die Fenster sich
weit, weiter ging ja nicht.
Man wusste nun Bescheid:
Es war um die Essenszeit.
Denn was gab es dort zu sehen?
Man sah gedeckte Tische stehen.
Und was nahm man wahr?
Suppenterrinen und Silberware
in der Mitte des Tisches platziert.
Servietten fein säuberlich drapiert,
die Porzellanteller daneben
waren von Silberbesteck umgeben.
Aus geöffneten Vordertüren
stürzten jetzt die Mütter,
Kindernamen rufend, beinahe schreiend,
in die Hände klatschend herbei.
Doch von anderer Seite
kam jetzt ein Flattern, leiser.
Es waren Spatzen und Meisen,
Amsel, Möwe, Fink und Star,
es kam von oben her. Die ganze Schar
flatterte von First und Rinnen
zum Tirilieren, Zwitschern, Singen
aus voller Brust, mit zitterndem Schnabel
ein Trillern, Pfeifen, Krächzen, Schlagen
bis hinunter auf den gleichen Gleisen,
worauf sich die Elektrische beeilte
um gut zu machen die Verzögerung
nach einer kürzeren Ablaufstörung,
folge von einem Kurzer im Netz
und die nun, rappelvoll besetzt,
versuchte so schnell es eben ging
Zeit zur Endhalte zu gewinnen.
Doch Kinder sind, einmal gegangen,
(so sind sie, sogar hier) nur mühsam einzufangen.
Es brauchte eine gute Viertelstunde,
bevor die Servietten vorgebunden
und alle ordentlich am Tisch
gesessen waren. An der Türe und auf dem First,
von niemandem gestört
wurde ein Bettelliedchen gehört
von einem Vogel, der aufgeweckt,
den kleinen Schnabel hochgestreckt,
am Fenster sang ein kleines Gedicht.
Nur in den Bäumen nicht.
Nein, in den Bäumen nicht,
die standen ja noch nicht.
Aber wie schön, ach welche Pracht
sind sonst Blüten und Blätterdach. -
Wie schön? Der Himmel weiß wie.
Doch wissen kann man nie....

Übersetzung J. Hoepelman Oktober 2017




Lidy van Marissing. Lange vernachlässigt.

Lidy van Marissing. 1942 Lidy van Marissing schrieb experimentelle Poesie und Prosa. Ihre Kunst ist manchmal schwer verständlich und wurde l...