Montag, 16. Oktober 2023

Multatuli: "Max Havelaar", The book that killed Colonialism.


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    Multatuli 
 (Eduard Douwes Dekker)
1820-1887

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Karta Negara, Raden Adipati,




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                                                                                                      Multatuli in Brüssel, 1859
                                                                                                 

 "Ich bin Makler in Kaffee und wohne auf der Lauriergracht No. 37."

Dies ist der Anfangssatz des ersten Kapitels des "Max Havelaar", ein Werk, das eine Schockwelle durch die niederländische Literatur und Politik sandte.

Die Sprache der Pfarrer-Dichter, auch wenn ironisch oder sarkastisch gebrochen, war meistens altmodisch und schwerfällig. Sie war weit entfernt von der Umgangssprache. Wie weit wurde schlagartig klar mit der Erscheinung, 1859, des "Max Havelaar" von Multatuli (Pseudonym von Eduard Douwes Dekker, 1820-1887). Douwes Dekker fuhr 1838 nach niederländisch Indien und beendete 1856 seine Karriere als Assistent-Resident in Lebak in der Residenz Bantam. Assistent-Resident war eine ziemlich hervorgehobene Stellung, die es Douwes Dekker ermöglichte tiefe Einblicke in die Funktionsweise der Kolonialverwaltung - d.h. der Ausb2eutung - zu gewinnen. Als seine Proteste gegen die Auspressung der Bevölkerung durch die örtlichen Eliten - denn praktischerweise hatte die Kolonialregierung die täglichen Geschäfte den örtlichen Aristokraten, den "Regenten" (im Roman Karta Negara, Raden Adipatiüberlassen, beim Generalgouverneur nichts fruchteten, beantragte Douwes Dekker die Entlassung. Es folgte ein unstetes Dasein, das ihn u.a. nach Brüssel führte, wo er in nur wenigen Monaten, 1859, den "Max Havelaar" schuf. Der "Max Havelaar" ist nicht nur heftiger Protest, sondern in Form, Inhalt und Sprache ein neuartiger Roman, der nicht nur in den Niederlanden auf große Zustimmung stieß. Der Untertitel "of de koffij-veilingen der Nederlandsche Handel-Maatschappij" d.h. "oder die Kaffee-Auktionen der niederländische Handelsgesellschaft" macht klar, dass es Douwes Dekker ging um einen breit angelegten Angriff auf den niederländische Staat, wenn man bedenkt, dass über ein Drittel des Staatshaushaltes aus Kaffee-Einkünften aus Indien bestand, eine Tatsache, die den damaligen Lesern wohlbekannt war.

Es gab auch in Deutschland eine Reihe Übersetzungen des "Max Havelaar", man findet den deutschen Text im Internet, z.B. hier:

Max Havelaar

Das Prosa-Gedicht, das ich hier übersetze ist Teil der Geschichte von "Saidjah und Adinda", ein Fragment, das im Übrigen die Spuren der Kolonialzeit auf die niederländische Sprache (wie im Übrigen auch auf Küche, Supermarkt oder Restaurant) illustriert.



Saidjah und Adinda

("Das Lied des Saidjah")



"Ich weiß nicht wo ich sterben werde.

Ich habe das mächtige Meer gesehen an der Südküste, als ich dort war mit dem Vater zum Salz machen.

Wenn ich sterbe auf dem Meer und mein Leichnam geworfen wird in das tiefe Wasser, werden Haie kommen.

Sie werden schwimmen um meine Leiche und fragen: „Wer von uns wird den Leichnam verschlingen, der da im Wasser herunter sinkt?“

Ich werde es nicht hören.

Ich weiß nicht wo ich sterben werde.

Ich sah das brennende Haus des Pa-Ansu, er selber zündete es an, mata-glap* wie er war.


Wenn ich sterbe in einem brennenden Haus, werden glühende Holzstücke auf meine Leiche fallen
Und draußen vor dem Haus werden die Leute Wasser werfen um das Feuer zu töten mit großem Geschrei.

Ich werde es nicht hören.

Ich weiß nicht wo ich sterben werde.

Ich sah wie der kleine Si-unah stürzte aus der Klappa-Palme**, als er eine Klappa-Nuss für seine Mutter pflückte.

Wenn ich stürze aus einer Klappa-Palme, werde ich tot daliegen am Fuße des Baumes im Gebüsch, wie Si-unah.

Meine Mutter wird nicht schreien, denn sie ist tot. Aber andere werden rufen: „Seht, da liegt Saidjah!“ mit lauter Stimme.
Ich werde es nicht hören.

Ich weiß nicht wo ich sterben werde.

Ich sah die Leiche des Pa-lisu, er starb in hohem Alter, denn seine Haare waren weiß.

Wenn ich in hohem Alter sterbe, mit weißen Haaren, werden die Klageweiber um die Leiche stehen
Und sie werden jammern, wie die Klageweiber beim Leichnam des Pa-lisu. Und auch die Enkelkinder werden weinen, sehr laut.

Ich werde es nicht hören.

Ich weiß nicht wo ich sterben werde.

Ich habe viele gesehen zu Badur, die gestorben waren. Man kleidete sie in ein weißes Kleid, und begrub sie in der Erde.

Wenn ich sterbe zu Badur, und man begräbt mich außerhalb der Dessa***, gen Osten am Hügel, wo das Gras hoch ist,

Dann wird Adinda dort vorbei gehen und der Saum ihres Sarongs**** wird leise am Gras entlang streifen...

Ich werde es hören.“


Multatuli, (Eduard Douwes Dekker) aus „Max Havelaar“, 1859.

Übersetzung Jaap Hoepelman, 2014


Auf Youtube wird der ursprüngliche Text gelesen und gezeigt:

Saidjah en Adinda

Für die ganz mutigen gibt es hier den vollständigen Text auf Niederländisch:


Max Havelaar, niederländisch.


Das "New York Times Magazine" nannte den Max Havelaar "The Book That Killed Colonialism" (ein netter Aufsatz, der es aber mit den statistischen Daten nicht übertrieben genau nimmt).

Andere Texte von Multatulti habe ich hier, hier, hierhier und hier übersetzt.

*      mata-glap: Maleisisch "Finsteres Auge" - wahnsinnig.
**    Klappa: Kokos 
***  Dessa: Dorfgemeinde
****Sarong: Wickelrock

Erklärungen von mir (JH). Dem niederländischen Publikum waren die Wörter geläufig.  

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